Bony und der Bumerang
halben Jahr bestimmt gelernt: ich kann nur hier auf Barrakee glücklich sein. In der Stadt komme ich mir vor wie ein eingesperrter Vogel. Ich möchte hier bei euch bleiben und ein tüchtiger Schafzüchter werden. Einverstanden?«
»Und ob wir einverstanden sind, Ralph!« erklärte Mrs. Thornton und zog den jungen Mann an sich. »Mir hätte es das Herz gebrochen, wenn du dich anders entschieden hättest.«
Frank Dugdale war mit seinen achtundzwanzig Jahren Zweiter Inspektor auf Barrakee. Vor zehn Jahren hatte er völlig allein und mittellos dagestanden. An seine Mutter konnte er sich kaum noch erinnern, und als sein Vater freiwillig aus dem Leben geschieden war, weil er Konkurs gemacht hatte, war der Junge hilflos sich selbst überlassen gewesen.
Dugdale senior und John Thornton waren Schulfreunde gewesen, und der Schafzüchter hatte sich sofort bereit erklärt, den jungen Mann bei sich aufzunehmen. Dugdale ging auf das Angebot ohne Zögern ein und wohnte gemeinsam mit dem Buchhalter in der Baracke. Jetzt war er ein hervorragender Reiter und wußte ausgezeichnet über Wolle und Schafzucht Bescheid. Er war von durchschnittlicher Größe, hatte einen sehr hellen Teint und braune Augen.
Ralph und Kate spielten Tennis, als Dugdale vorüberkam. Er hatte die Pfeife im Mund und eine Angelschnur in der Hand. Er blieb einen Augenblick stehen und sah den beiden zu, und wieder wurde ihm schwer ums Herz wie jedesmal, wenn er Kate Flinders erblickte.
»Hallo, Dug! Sie wollen zum Fischen?« rief das Mädchen, während sie die Bälle einsammelte.
»Nein.« Dugdale grinste. »Ich will den Drachen steigen lassen.«
»Aber Dug –« Kate Flinders drohte mit dem Finger.
Er seufzte und hielt ihr die Schnur hin. »Ich kann nicht lügen – wie Shakespeare bereits zu König Stephan sagte. Hier ist meine Drachenschnur.«
»Sehr schön«, meinte sie. »Aber Sie sollten wenigstens den Blinker verstecken. Außerdem bringen Sie alles heillos durcheinander. Es war Washington, der stolz darauf war, niemals gelogen zu haben.«
»Und König Stephan lebte einige Jahrhunderte vor Shakespeare«, fügte Ralph hinzu.
»Tatsächlich?« Dugdale blickte ihn treuherzig an. »Ich fürchte, ich habe mein Schulwissen längst vergessen. Und wann hat dieser Stephan gelebt?«
»Stephan von Blois, König von England, lebte um das Jahr elfhundert.«
»Vor Christi oder nach Christi?«
»Herr im Himmel! Nach Christi natürlich!«
»Dann verstehe ich nicht, was Sie eigentlich wollen. Ich sagte doch –«
»Auf Wiedersehen, Dug, und Petri Heil!« rief Kate lachend und nahm wieder ihren Platz ein.
Sie war sich über Frank Dugdale nicht so recht im klaren. Er besaß Geist und Witz, war tüchtig, ordentlich und selbstsicher. Aber andererseits ...
Als Dugdale am Ufer angelangt war, wurde es plötzlich dunkel. Er blickte nach Westen. Eine dicke Wolkenbank hatte sich vor die Sonne geschoben. Er wählte das leichteste Boot und stieß vom Ufer ab. Nachdem er den glitzernden Spinnköder am Vorfach befestigt hatte, ruderte er gemächlich weiter und ließ die Leine über das Heck ablaufen. Er hielt sich in der Nähe des Ufers. Nur, wenn im Wasser treibende Baumstämme auftauchten, wich er zur Flußmitte hin aus.
Trotz des schönen Wetters war es windstill und schwül. Ein ferner Vogelruf, das Aufspritzen des Wassers, wenn ein Fisch nach einer Mücke sprang, waren deutlich zu vernehmen. Das diabolische Gelächter eines Kookaburras aber dröhnte Dugdale wie ein böses Omen in den Ohren.
Seit Jahren liebte er Kate Flinders. Aber es war eine einseitige, eine hoffnungslose Liebe. Schließlich war er ein Habenichts, der Sohn eines bankrotten Selbstmörders. Wenn er Glück hatte, konnte er es eines Tages bis zum Verwalter bringen. Aber einen solchen Posten hätte er mehr seinen Beziehungen als seinen Fähigkeiten zu verdanken.
Also hatte er sich bereits damit abgefunden, daß seine Karriere beim Ersten Inspektor aufhören würde. Deshalb konnte er Kate Flinders niemals bitten, seine Frau zu werden.
Gewiß, die Thorntons behandelten ihn als ihresgleichen, aber das änderte nichts an seiner finanziellen Lage und seiner gesellschaftlichen Stellung. Immerhin, ein Traum ging vielleicht noch in Erfüllung: der Traum, eines Tages bei der Staatslotterie einen Treffer zu erzielen. Dann hätte er die Möglichkeit, sich selbständig zu machen. Mit Schafen und Wolle kannte er sich gut aus. In einigen Jahren könnte er ein bescheidenes Vermögen erarbeiten.
Er hatte die
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