BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)
recht mit dem hast, was du sagst«, antwortete sie langsam und griff nach dem Medaillon, das an ihrer Brust hing. Es fühlte sich warm an und irgendwie lebendig. Es spendete ihr Trost und gab ihr Kraft.
»Du musst mir mehr erzählen. Ich muss verstehen, was du tust und erst dann werde ich entscheiden, ob ich dir helfe.«
Nathan nickte und lächelte, doch die Worte, die er dann aussprach, klangen in Lucys Ohren wie eine Drohung. »Wir haben nicht viel Zeit, Lucy. Wenn du mir nicht freiwillig hilfst, wird mein Großvater sich deiner annehmen.«
Schweigend gingen sie weiter. Die Gedanken in Lucys Kopf wirbelten durcheinander. Nathan griff nach ihrer Hand, doch sie war nicht sicher, ob es ihr gefiel, dass er sie festhielt. Lucy spürte, wie ihr Mal feine Lichtfäden spann, um sich mit Nathan zu verbinden. Nathan hatte recht, es fühlte sich richtig an, es fühlte sich an, als ob die Male zusammengehörten. Aber gehörte sie deshalb zu Nathan? Hätte sie sich diese Frage gestern oder heute früh gestellt, hätte sie ohne zu zögern mit Ja geantwortet. Er hatte sich in ihr Herz geschlichen, fast unbemerkt, und doch konnte sie nicht richtig finden, was er ihr gerade erzählt hatte. Was enthielt der Bund den Menschen vor? Sie wusste von Tennyson und Chaucer. Doch es waren viel mehr leere Karten in den Kästen gewesen. Waren das alles Bücher die der Bund … Wie sollte sie es nennen – gestohlen hatte? Nathan hatte gesagt, dass der Bund das Wissen schützte. War das so? Weshalb war Philippa dann fortgegangen? Vielleicht war es früher richtig gewesen, diese Bücher zu schützen. Aber heute?
Während Lucy in ihre Überlegungen versunken war, hatte Nathan sie zu einem Café geführt. Als er ihr die Tür öffnete und Wärme und der Duft von Tee und Kuchen sie umfing, blickte sie auf.
»Ich glaube, es ist besser, wenn wir hier miteinander reden«, sagte er und lächelte sie liebevoll an. »Dann wirst du nicht wieder zum Eisblock.«
»Du hast mich gründlich aufgetaut«, entschlüpfte es Lucy, ohne dass sie es wollte.
Nathans Lächeln gefror bei ihren Worten und er schob sie beinahe grob in den Gastraum.
»Wir sollten diesen Vorfall vergessen«, sagte er leise.
Lucy wurde bei seinen Worten kälter, als es draußen gewesen war.
»Weshalb soll ich es vergessen?« Sie ahmte seine Stimme nach, konnte ihren Zorn aber kaum unterdrückten. Vorfall, so nannte er das jetzt. Klang nach Unfall.
Nathan führte sie zu einem abgelegenen Tisch.
»Es hat nichts mit dir zu tun«, sagte er besänftigend. »Es liegt an mir.«
»Wie meinst du das?«, fragte Lucy.
»Als ich letztes Wochenende bei meinem Großvater war, wurde ich in den inneren Kreis des Bundes aufgenommen. Ich habe mich jahrelang darauf vorbereitet«, erklärte er. »Doch ich muss mich nun an bestimmte Regeln halten.«
»Und die sind?«
»Es gibt einige, aber nur eine betrifft uns beide.« Er zögerte kurz. »Der Bund wird zu gegebener Zeit eine Frau wählen, mit der ich mich vermählen muss und die meinen Nachfolger zur Welt bringen wird. Ich möchte dir keine falschen Hoffnungen machen.«
Lucy schauderte bei seinen Worten.
»Eine gruselige und mittelalterliche Regel«, sagte sie langsam und konnte nicht glauben, was er gesagt hatte. In welchem Jahrhundert lebten diese Leute?
»Vielleicht hast du recht. Bisher war diese Regel kein Problem für mich«, erwiderte Nathan. »Das mag merkwürdig klingen, aber dafür wurde ich erzogen.«
Der Kellner brachte den bestellten Tee.
»Nathan«, begann Lucy ihre Überlegungen laut zu sortieren. »Ich habe Philippa gesehen. Sie hat sich vom Bund losgesagt und was sie tat, erschien mir berechtigt. Es war ihre eigene Entscheidung. Ich weiß nicht, was man dir erzählt hat. Aber die Kirche hatte nichts damit zu tun. Erst jetzt verstehe ich, was sie mir sagen wollte. Sie fand es falsch, die Bücher zu verbergen. Sie ist geflohen und hat ihre Tochter mitgenommen. Das Kind, das das Mal trug. Ihre anderen Kinder hatte der Bund ihr genommen. Ich frage mich, ob sie das auch mit uns gemacht haben. Wir kennen beide unsere leiblichen Eltern nicht.«
»Meine leiblichen Eltern haben mich bei meinem Großvater zurückgelassen. Mein Vater wäre der Erbe gewesen, doch er war der Aufgabe nicht gewachsen«, antwortete Nathan steif. Lucy beschloss, auf diesen Punkt vorerst nicht näher einzugehen.
»Wie funktioniert dieses Auslesen? Woher kommt diese Fähigkeit, ein Buch ganz und gar verschwinden zu lassen? Kann ich das auch?«
Im selben
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