Bootsmann auf der Scholle

Schiffsseite zur rechten. An der rechten Schiffsseite ist die Küste.
    Kapitän Feodor bleibt stehn und beschaut sich die Küste.
    Seine grauen Augen blitzen unter buschigen Brauen. Sie sind scharf wie die Augen eines Adlers. Sie sehen jeden Strauch an der Küste. Sie sehen auch die Eisscholle.
    Eine große Eisscholle, denkt Kapitän Feodor.
    An ihrem Rande bemerkt er etwas Schwarzes.

    Ein Vogel vielleicht, denkt Kapitän Feodor, eine Krähe, oder ein Stück Kohle, wer weiß.
    Den Kahn mit Uwe sieht Kapitän Feodor nicht.
    Er wandert hinüber zur linken Schiffsseite. Er kommt zurück und beschaut sich wieder die Küste und die Eisscholle.
    Den Kahn mit Uwe sieht er auch diesmal nicht.
    Der Kahn versteckt sich in den Wellen. Seine grüne Farbe ist dunkel wie das Wasser. Wer den Kahn sehen will, müßte ihn suchen. Kapitän Feodor sucht ihn nicht, denn er weiß nichts von dem Kahn. Aber jetzt, der helle Fleck, was ist das?
    Der Fleck bewegt sich, flattert überm Wasser, genau zwischen Küste und Schiff.
    Kapitän Feodor bittet ums Fernglas. Er blickt hindurch. Sein Gesicht ist ruhig und gespannt. Auf einmal ist er sehr aufgeregt.
    „Ein Junge", ruft Kapitän Feodor. „Ganz klein, und dort, auf der Eisscholle, ein Hund, auch ganz klein. Der Junge hat seine Jacke ausgezogen. Er winkt. Er braucht Hilfe."
    Gleich hinterher folgt der Befehl: „Beide Maschinen stop! Barkasse aussetzen! Mischa und Kolja in die Barkasse!"
    An Deck des Dampfers trappeln viele Füße.
    Viele Augen schauen zur Küste.
    Wo ist der Junge mit der Jacke?
    Eine Winde fängt an zu rasseln.
    Am Windenseil hängt die Barkasse. Sie schwebt durch die Luft, schwebt über die Bordwand, schwebt sanft zum Wasser hinab.
    Hinten im Führerstand sind die Matrosen Mischa und Kolja. Sie tragen Wattejacken und runde Pelzmützen. Sie lachen vergnügt.
    Die Barkasse ist ein schnittiges Boot, ganz aus Stahl, vorn ein flache Kajüte. Der Motor donnert. Er hat die Kraft von achtzig Pferden.
    Die Barkasse schießt davon.
    Aus der Kombüse guckt der Koch.
    Aus dem Kesselraum guckt der Maschinist.
    An der Reling guckt die halbe Mannschaft.
    Alle warten auf die Rückkehr der Barkasse. Kapitän Feodor guckt durchs Fernglas.
    Die Barkasse fliegt mit weißen Wasserflügeln.
    Uwe läßt seine Jacke sinken. Er braucht nicht mehr zu winken, denn er braucht nicht mehr zu fürchten, daß der Dampfer vorüberfährt. Der Dampfer liegt gestoppt, und die Barkasse fliegt auf Uwe zu.
    Wie schnell und wie kühn sie auf ihn zufliegt!
    Uwe sieht Mischa und Kolja.
    Er reißt seinen blauen Pudel vom Kopf. Mischa und Kolja schwenken ihre runden Mützen.
    Welche Freude auf beiden Seiten!
    Der Motor verstummt, die Barkasse verliert ihre Wasserflügel. Leicht und lautlos gleitet sie neben den Kahn.
    Mischa greift Uwe unter die Arme. Ein Schwung, und Uwe landet in der Barkasse.
    Kolja macht hinten den Kahn fest, und weiter geht die Fahrt auf neuen Wasserflügeln.
    Die Scholle mit Bootsmann schwimmt endlos fern. Niemand kann den kleinen Hund mehr sehn. Nur das Blinkern des Eises sieht man. Aber Kolja dreht auf, und der Motor stampft mit der Kraft von 

    achtzig Pferden. Die Barkasse zittert, und Uwe, Kolja, Mischa, alle zittern mit.
    Uwe muß lachen, weil es in seinen Backen kitzelt.
    Uwe steht zwischen Kolja und Mischa am Führerstand. Kolja steuert, Mischa hat eine Hand auf Uwes Schulter gelegt.
    Kolja und Mischa sind groß wie zwei Riesen. Aber wenn sie auf Uwe runtergucken, zwinkern sie ihm zu, als wäre er so groß wie sie.
    Uwe schreit durchs Motorengedröhn: „Ihr seid prima!"
    Und Mischa schreit zurück: „Karascho!“ Das soll heißen: Schon gut, schon gut, jetzt holen wir den Hund.
    Und die Scholle rückt näher und wächst. Uwe erkennt den Hund.
    Er ruft seinen Namen.
    Bootsmann macht einen Zirkustanz. Er hüpft auf den Hinterpfoten und rudert 

    mit den Vorderpfoten durch die Luft. Dann rollt er sich um und um vor lauter Freude.
    Jetzt drückt die Barkasse gegen die Scholle. Ihren ganzen Rumpf drückt sie dagegen, so daß Mischa mühelos aussteigen kann.
    Bootsmann läuft auf Mischa zu.
    Bootsmann ist gerettet.
    So einfach geht das, denkt Uwe. Man muß bloß Freunde haben wie Mischa und Kolja.
    Auf dem Dampfer aber, wo die halbe Mannschaft wartet, gibt Kapitän Feodor hinter seinem Fernglas Bericht: „Sie haben den Hund. Sie kommen zurück!"
    Er hängt das Fernglas beiseite und ruft den Koch.
    „Gießen Sie Tee auf, schön heiß, und machen Sie Brote zurecht, schön mit Butter