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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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Sauternes stand, merkte er sich die
Lage beider Kisten für immer und konnte einen direkt hinführen, wenn man ihn
nach einem der Weine fragte.
    In den Seitenkammern lagerten,
hinter verschlossenen Eisengittern, die besonderen Weine: Kaiserlicher
Tokajer, noch aus der Zeit vor dem Auftauchen der Reblaus, Château d'Yquem aus
den 1880er Jahren, uralte Portweine, einzelne Restposten, Sammlerträume, die
auf Auktionen sicher enorme Summen erzielen würden. Sie werden nie versteigert
werden. Francis konnte sich von keiner Flasche trennen, die er wirklich lieb
gewonnen hatte; ich auch nicht. Einmal habe ich es mir überlegt, aber ich
könnte es nicht übers Herz bringen. Francis war mein Freund. Seinen Wein zu
verkaufen käme einem Verrat gleich. Es hat schon genug Verrat gegeben ...
    Ich kann mich gut an den Tag
erinnern, als ich das erste Mal in Caerlyon Hall war. Caerlyon, ein seltsamer
Name: ein Überbleibsel aus dem Mittelalter, vor der Besiedlung durch die
Sachsen und Holländer. Caerlyon hatte überlebt und seine Identität bewahrt,
eine Insel in der Flut der erst sächsischen und später dänischen Ortsnamen; die
Dänen waren eingefallen, nachdem die Römer abgezogen waren. Das heutige
Erscheinungsbild des Hauses stammt, glaube ich, aus der Frühzeit des
Viktorianismus, aber schon seit der Bronzezeit gab es dort Ansiedlungen:
römische, mittelalterliche, dann ein elisabethanisches Haus. Der viktorianische
Bau wurde zu der Zeit errichtet, als die Familie Black mit dem Abbau der
reichen Kohleflöze unter dem schlechten Ackerland, das sie bisher ernährt
hatte, ihren stärksten wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr. An dem besagten Tag,
es war Ende Mai, hatte ich wie gewöhnlich gegen halb acht abends mein Büro
verlassen. Mein Büro, ein Designertraum aus schwarzem Marmor und Glas, lag in
einem der hinteren Gebäude am Rand eines Gewerbegebiets, südwestlich von Newcastle.
Meist machte ich um die Uhrzeit Schluss, damit ich in dem örtlichen
Einkaufszentrum noch etwas zu essen kaufen konnte, bevor die Geschäfte
schlossen. Ich holte irgendein Fertiggericht, das gerade im Angebot war, fuhr
nach Hause, stellte es in den Mikrowellenherd und aß es, setzte mich danach
noch für ein, zwei Stunden an den Computer und versuchte dann, fünf, sechs
Stunden zu schlafen, bevor ich um fünf Uhr wieder aufstand und ins Büro fuhr.
    Es war ein wunderschöner Abend;
besonders das magische Licht, das beim Übergang vom Frühling in den Frühsommer
vorherrscht, ist mir in Erinnerung geblieben. Der Himmel war blass-rosa, mit
einem Stich ins Lindgrün, ein Hauch von Polarlicht. Das Gewerbegebiet, in dem
ich arbeitete, eine wilde Mischung aus Aluminiumschuppen und modernen Gebäuden
aus Glas und Backstein, so wie unsere Firma, fraß sich hartnäckig in die
Flanke eines Hügels. Das Weideland oben auf dem Berg ging über in braunes,
binsenbestandenes Moorland. Aus keinem besonderen Grund bog ich von der Straße,
die zum Einkaufszentrum führte, ab und fuhr einen schmalen Weg hinauf, die
Flanke des Hügels, statt am Fuß entlang, dem blassen Rand des Abendhimmels
entgegen, als erwartete mich oben auf der Kuppe eine Botschaft. Die
Bürogebäude und die Fabriken unter mir waren bereits in die Düsternis der
anrückenden Nacht gehüllt. Es wäre doch ganz schön, das letzte abendliche
Sonnenlicht noch zu erwischen, dachte ich, als wäre mir von all den Jahren in
neonbeleuchteten Büros für einen Moment plötzlich schlecht geworden.
    Mit einigem Elan erreichte ich in
dem Range Rover, den ich mir in dem Jahr zugelegt hatte - das erste (und
letzte) teure Auto, das ich je besessen habe -, den Gipfel des Hügels und fuhr
an den Straßenrand. Vor mir tat sich eine vollkommen andere Landschaft auf,
kleine Farmen und Gärten, die sich bis zu den großen braunen Hängen der Pennine
Moors hinzogen. Gleich unterhalb der Stelle, wo ich angehalten hatte, verlief
ein Weg; ein kleines Schild wies in seine Richtung, und in weißer Schrift
standen dort die Worte »Caerlyon Hall«. Ich fühlte mich unbeschwert. Ich brach
aus meiner Routine aus, und ich stellte fest, wie erfrischend das war. Noch
zehn Minuten, nahm ich mir vor, so lange würde ich dem nachgehen, dann würde
ich umkehren und mir eine Pizza kaufen und zu Hause noch ein, zwei Stunden an
einem neuen Computerprogramm arbeiten. Ich wendete und fuhr runter auf den
Weg, durch eine Anpflanzung dunkler Bäume, und dann, unmittelbar vor mir, erhob
sich ein riesiges graues Haus. Das Einfahrtstor war

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