Bordeuax
meinen
Scheck vor. Es gab eine Verzögerung, was mich allerdings nicht überraschte.
Mein persönlicher Kundenbetreuer, Mr Rawle, kam an den Schalter und sagte: »Guten
Tag, Mr Wilberforce. Guten Tag.«
»Hallo, Mr Rawle«, sagte ich. »Alles
in Ordnung?«
»Oh, ja, alles in Ordnung, mehr oder
weniger. Könnte ich Sie mal einen Moment sprechen, drüben an meinem
Schreibtisch. Da sind wir ungestört.« Er rieb sich die Hände und sah mich mit
sanften, flehenden Augen von der Seite an, ein Cockerspaniel im Nadelstreifenanzug.
Ich folgte ihm in eine vom
Kassenraum abgetrennte Bürozelle und setzte mich ihm am Schreibtisch gegenüber.
Mein Blick schweifte unwillkürlich zur Decke und blieb dort haften, so dass Mr
Rawle zu meinem Kinn sprechen musste.
»Ich wollte Sie fragen, ob Sie den
Brief erhalten haben, den ich Ihnen geschrieben habe, Mr Wilberforce. Er
betrifft Ihr Konto.«
Ich sagte, ja, den hätte ich
bekommen, und ich hätte auch schon die nötigen Maßnahmen getroffen, um das
Konto aufzustocken.
»Das sind ja ausgezeichnete
Neuigkeiten. Ausgezeichnet«, sagte Mr Rawle und rieb sich eifrig die Hände. Ich
wunderte mich, dass sie kein Feuer fingen. »Darf ich fragen, auf welchen Betrag
sich die Summe beläuft?«
Ich sagte, so nonchalant wie
möglich, ich hätte zunächst fünfzigtausend umgeschichtet.
»Haben Sie derzeit noch andere
dringende Verbindlichkeiten?«, wollte er wissen.
Eine unbedeutende Steuerrechnung.
Wie viel? Ich wüsste es nicht mehr genau. Es gelang mir, den Blick von der
Decke zu wenden und Mr Rawle beim Sprechen direkt in die Augen zu schauen,
statt auf eine der Deckenleuchten. Ob ich jetzt bitte meinen Scheck einlösen
könne, ich hätte noch einen anderen Termin.
Mr Rawle stand auf, verbeugte
sich leicht und sagte: »Wie hoch ist die Summe, auf die der Scheck ausgestellt
ist?«
»Nur auf die üblichen fünftausend
Pfund«, sagte ich und versuchte, die alte Unbekümmertheit aufzubringen, mit
der ich in der Vergangenheit derartige Summen gefordert hatte.
Mit Bedauern im Blick schüttelte Mr
Rawle den Kopf. »Es tut mir sehr leid, aber solange der Scheck nicht gedeckt
ist und die Mittel, die Sie erwähnten, nicht auf Ihrem Konto sind, habe ich keine
Befugnis. Tausend könnte ich Ihnen vielleicht geben, mehr nicht.«
»Das kommt mir sehr ungelegen«,
sagte ich.
Erneut verbeugte er sich, aber gab
nicht nach. »Tut mir leid, Mr Wilberforce. Tut mir leid, aber so ist es nun
einmal.«
Zum Schluss stellte ich einen Scheck
über tausend Pfund aus, und Mr Rawle brachte ihn persönlich zum Kassierer und
stand daneben, während die Fünfzigpfundscheine ausgezählt wurden - damit ich
auch nur ja keinen zu viel bekam, nehme ich an. Danach begleitete er mich zur
Tür, und ich, ziemlich besorgt, trat nach draußen auf die Straße. Wieder hörte
ich ein Summen in meinem Kopf, wie von Bienen.
Ich war gerade mit der
Avianca-Maschine aus Medellin in Bogota eingetroffen. Dort hatte ich wochenlang
unerfreuliche Gespräche mit Vertretern der FARC geführt, einer Terrorgruppe aus
dem Drogenmilieu, die in letzter Zeit in Kolumbien europäische Geiseln
entführt hatte. Auf der aktuellen Liste standen drei französische Touristen,
zwei englische Rucksackreisende und zwei Angestellte von BP Columbia. Letztere
waren bei Lloyd's of London versichert, deswegen hielt ich mich hier auf. Wir
hatten die Absicht, ein Abkommen über das Lösegeld zu treffen, aber seit
einigen Tagen hatte ich ein zunehmend ungutes Gefühl bei den Verhandlungen. Ich
hatte kein Lebenszeichen der Entführten. Der Vertreter der FARC wollte, dass
ich ihm vertraue. Aber er wollte oder konnte mir keinen Beweis liefern, dass
auch nur einer der Ausländer noch am Leben war. Das bedeutete entweder, dass
sie getötet worden waren, was ich für relativ unwahrscheinlich hielt, denn das
wäre für die FARC höchst unwirtschaftlich gewesen; oder es bedeutete, dass der
kleine Mann mit dem Gesicht eines Wiesels, der sich als ein Vertreter der FARC
vorgestellt hatte, in Wirklichkeit gar nichts mit der Guerillabewegung zu tun
hatte. Vielleicht war er Mitglied eines der Drogenkartelle oder irgendeiner
anderen Gruppe, die nur Geld aus der Situation schlagen wollte.
Als er einen anderen Treffpunkt für
unsere täglichen Gespräche vorschlug, einen Ort außerhalb der Stadt, lag der
Verdacht nahe, er und seine Freunde könnten möglicherweise zu dem Schluss gekommen
sein, meine Person wäre eigentlich auch ein guter
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