Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
war sie wütend gewesen, inzwischen fühlte sie sich unsicher. Sie blickte sich um. Der Saal war leer. Als sie hastige Schritte auf dem Flur hörte, lagen Kummer und Ergebenheit in ihrem Blick.
Der Richter schob seine rechteckige Lesebrille etwas höher auf die Nase und räusperte sich.
Die Schritte verhallten. Jetzt sprach Erleichterung aus Barbaras Augen.
»Mevrouw … hmmm …«
»Wittewrongel. Barbara Wittewrongel.«
»Sind Sie allein gekommen? Ich hatte hier noch Mijnheer …« Der ältere Beamte mit dem sorgfältig getrimmten Knebelbart und dem stacheligen weißen Haar raschelte in dem Papierstapel vor sich herum. »… Deleu … Dirk Deleu erwartet.«
»Ich auch«, antwortete Barbara spitz.
»Mevrouw Wittewrongel, sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass bei einer Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen stets beide Gatten gemeinsam erscheinen müssen und dass wir einen engen Terminplan einhalten müssen, da …«
Barbaras Handy summte.
Der Richter seufzte gelangweilt.
Immer dasselbe Lied.
Er warf einen Blick auf seine vergoldete Cartier-Uhr, ein Andenken an seine zweite Ehefrau.
»Entschuldigen Sie bitte.«
Barbara nahm das Handy aus ihrer Handtasche und wollte schon auf Mailbox umschalten, überlegte es sich aber anders.
»Hallo?«
»Äh … Barbara, ich bin’s. Bitte entschuldige …«
»Schon gut, Dirk. Ich glaube, ich weiß, was du mir sagen willst.«
»Barbara …«
Barbara Wittewrongel wartete lange.
»Ja?«
»Barbara … Ich kann es nicht. Ich …«
»Ich auch nicht, Dirk.«
Klick.
Fünf Kilometer von ihr entfernt blickte Deleu sehnsüchtig sein Handy an, als müsste es ihm die gute Nachricht gleich noch einmal verkünden. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Der nagende Schmerz war verschwunden.
Nadia Mendonck, die spürte, dass etwas Wichtiges geschehen war, drehte sich um. Ihre Augen waren feucht.
»Nadia? Was hast du denn?«
»Ach, nichts.«
Nadia schniefte und betrachtete das Baby mit gemischten Gefühlen.
»Und was ist mit dir los?«
Deleu grinste breit.
»Barbara hat im Amtsgericht auf mich gewartet. Aber sie will sich nicht mehr scheiden lassen. Sie auch nicht.«
Deleu fasste seine Kollegin an den Schultern und wollte einen Freudentanz aufführen, aber seine Muskeln verweigerten ihm den Dienst.
»Schön. Freut mich. Fahr nach Hause, Dirk. Leg dich ins Bett. Du bist todkrank.«
Nadia drehte sich weg, und Deleu sah, wie die Schultern seiner Geliebten – seiner Ex-Geliebten – heftig zuckten. Er stellte sich vor sie hin, legte ihr den Zeigefinger unters Kinn und hob ihr Gesicht an.
»Was ist denn los, Nadia? Mit dem Baby wird bestimmt alles gut. Versuch doch, dich jetzt ein bisschen zusammenzureißen.«
Nadia sah ihn schluchzend an.
Deleu schluckte, zog ihren Kopf an seine Brust und streichelte ihr über den Rücken.
»Schon gut. Lass es raus. Die letzten Tage waren einfach zu viel für dich. Ich werde …«
Nadia riss sich los und blickte ihn an, unendlich traurig.
»Ich bin schwanger, Dirk.«
Deleu erstarrte. Erst nach etwa einer Minute brachte er einen Ton heraus.
»Weißt du, von wem …«
»Ich habe keine … anderen Männer gehabt. Von Frank oder von dir.«
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Über Luc Deflo
Luc Deflo ist der meistverkaufte Thrillerautor Belgiens und mit seiner Reihe um Untersuchungsrichter Jos Bosmans und Kommissar Dirk Deleu auf die Top Ten der Bestsellerliste abonniert. Für Pitbull, den neunten Band der Reihe, wurde er mit dem renommierten Hercule-Poirot-Preis ausgezeichnet. Luc Deflo lebt mit seiner Familie in Brüssel
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Über dieses Buch
In Mechelen häufen sich brutale Todesfälle. Eine Schwangere begeht Selbstmord. Ein Psychopath tötet junge Frauen und entführt einen Säugling. Kommissar Dirk Deleu ahnt, dass der Tod der Schwangeren mit den Taten des Killers zusammenhängen muss. Wird er den Mörder finden, bevor dem Baby etwas passiert?
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Impressum
Die flämische Originalausgabe erschien 2002
unter dem Titel »Kortsluiting« bei Uitgeverij Manteau / Standaard Uitgeverij nv, Antwerpen eBook-Ausgabe 2011
Knaur eBook
© 2002 by Uitgeverij Manteau/ Standaard Uitgeverij nv en Luc Deflo
Für die deutschsprachige Ausgabe: © 2011 Knaur Taschenbuch
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –
nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Redaktion: Maria Hochsieder
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur,
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