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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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gewesen, hätte es ihre gesamte mythische Vorstellung vom Jenseits mit einem Schlag über den Haufen geworfen. Im ersten Moment hatten sie überhaupt nichts Menschliches an sich. Sie waren vielmehr riesenhafte Sonnen, die ihre Strahlen vom Himmelsgewölbe auf die Erde sandten. Dann aber nahmen sie Gestalt an, die Gestalt von Männern und Frauen, irdische Formen, die auch die Vergänglichen verstehen konnten, ohne dem Wahnsinn zu verfallen. Und zuletzt stiegen sie aus der Höhe herab und wurden immer kleiner, bis sie am Ende kaum größer waren als ein normaler Mensch. So edelmütig waren sie. So unermesslich.
    Als der Erste den Fuß auf den Boden setzte, reagierte die Erde. Unter ihrer Berührung kristallisierte der Lehm, alles Lebendige blühte auf, mehrte sich, verwandelte sich vor ihren Augen. Selbst die Schwerkraft schuf sich um, sodass nun alles einige Zentimeter über dem Kies schwebte.
    Tanya betrachtete sprachlos die beiden Gestalten, die vom Himmel gestiegen waren und aus zwei Metern Höhe auf sie herabblickten, wie nur höhere Wesen auf die niederen Formen der Schöpfung hinabschauen konnten. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau, beide wunderschön und von vollendeter Gestalt. Der männliche Engel hatte eine gelbliche Haut und asiatische Züge, während der weibliche die gleiche dunkle Hautfarbe wie Séfora angenommen hatte. Sie trugen Rüstungen aus flüssiger Energie, die ihnen wie ein Meer aus Licht über die Glieder floss. Ihre Schwerter steckten in einer Scheide, die so aussah, als wäre sie aus Sternenhaut gewebt.
    Der männliche Engel sprach zuerst, und unter dem überirdischen Dröhnen seiner Stimme verbogen sich die Metallgerüste der Jahrmarktattraktionen. »Ich grüße dich, Séfora. Mein aufrichtiges Beileid zu dem großen Verlust, den Ninives Tod für dich und für uns alle bedeutet. Ihrem Opfer verdanken wir es, dass sich das Tor zwischen den Welten öffnete, wenn auch nur für einen flüchtigen Augenblick.«
    »Es ist mir eine große Ehre, dass Ihr meine Bitte erhört habt, oh Samael«, sagte Séfora in vollkommener Demut. »Die Prophezeiung erfüllt sich. Hier sind die Auserwählten.«
    Die Erzengel betrachteten die drei jungen Leute, die nicht wussten, wie sie sich noch kleiner machen sollten. Das Blut hatte aufgehört, durch ihren Körper zu fließen. In Gegenwart dieser Unsterblichen fühlten sie sich geringer und unbedeutender als Bakterien, und selbst das war noch untertrieben.
    »Der Stamm der Ersten Erzengel wird weiterleben«, bestätigte Samael, sichtlich zufrieden mit dem, was er sah. Das beruhigte Tanya (aber nur ein bisschen). Sie konnte die Kraft der Engel spüren, ihre uneingeschränkte Verfügungsgewalt über alle Dinge, ihre Macht, die nicht ihresgleichen hatte, außer in Satan und in Gott Selbst. »Sie müssen noch viel lernen, aber es wird ihnen gelingen. In ihren Adern fließt Königsblut.«
    »Ich danke Euch, mein Herr«, sagte Séfora. »Aber ich flehe Euch an! Sagt mir: Was geschah an den Pforten des Himmels? Warum wurden meine Bitten nicht erhört?« Vor dieser letzten Frage fürchtete sie sich besonders: »Warum glaubte ich, als mich ein Funke der anderen Seite erreichte, die Trompeten von Jericho zu hören?«
    Der weibliche Erzengel ergriff das Wort: »Kleine Séfora, du hast das Recht zu wissen, was sich in deiner Heimat zuträgt. Aber ich warne dich. Es sind keine guten Nachrichten, die ich bringe. Die Festung des Himmels wurde von den Horden des Abgrunds belagert und ist gefallen.«
    Hätte der Engel etwas anderes gesagt, zum Beispiel, Gott sei seiner Schöpfung überdrüssig geworden und habe beschlossen, noch einmal von vorne anzufangen, er wolle sie und die Welt überschreiben wie jemand, der ein Computerprogramm aktualisiert – nichts hätte Séfora so sehr treffen können, nichts hätte ihr das Herz brechen können. Nur mit größter Willensanstrengung gelang es ihr, standhaft zu bleiben und die nächste Frage zu stellen: »A…aber … wie ist das möglich?« Ihre Stimme zitterte. Im schrillen, hysterischen Ton größtmöglicher Bestürzung stieß sie hervor: »Warum hat Er es nicht verhindert? Wie konnte Er es zulassen?«
    Die Erzengel wechselten stumme Blicke. Tanya musste schlucken. Die Lage war wohl wirklich enorm kritisch, wenn sogar Samael, dem Engel der Macht, dem Anführer des Fünften Himmels, und seiner unbekannten Begleiterin die Worte fehlten.
    »Er residiert nicht mehr in Seinem Palast, Séfora. Er hat die Insel des Lichts kurz vor

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