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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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Stattdessen war die Erwählte jene … jenes … wie auch immer, die sich nicht nur absolut unheilig kleidete, sondern sich auch noch mit unverhohlener Boshaftigkeit einen Spaß daraus gemacht hatte, das gegnerische Team vor allen Leuten bloßzustellen.
    Konnte es wirklich sein, dass die Erzengel ihre Macht einer so durchtriebenen und angriffslustigen Person übertragen hatten? Oder hatte sich der Spiegel am Ende geirrt?
    Nein, sie würde ihn besser nicht fragen, sonst wäre ein Wutanfall ihrer Freundin schon vorprogrammiert. Wenn man tausend Jahre auf dem Buckel hat, irrt man sich nicht, nie, so viel war wohl sicher.
    Wie dem auch sei, wenn dieses sonderbare Mädchen zu den drei Auserwählten gehörte, würde der Meister schon seine Gründe dafür haben.
    Als sie den Spiegel zu sich herumdrehte, um ihn nach seiner Meinung zu fragen, spiegelte sich noch etwas anderes darin. Hinter ihr und über ihr, entlang der getäfelten Decke, kletterten sie mit ihren langen deformierten Extremitäten, als hätte die Schwerkraft keinerlei Macht über sie.
    Die Sechs. Sie wollten sich das Mädchen holen.
    Séfora knirschte mit den Zähnen. Nicht hier, mein Gott, nicht vor so vielen Leuten , flehte sie in Gedanken, aber es war bereits zu spät. Sie musste in Aktion treten und das Mädchen beschützen, sonst wäre dies das Ende der Welt.
    Séfora konzentrierte sich, suchte die Reste der Erleuchtung zusammen, die unter der Hülle ihrer irdischen Verkleidung begraben sein mussten, und aus ihrem Rücken quollen ein paar große gefiederte Flügel hervor.

DIE ERSTE BEGEGNUNG
    V elasco war nicht ohnmächtig geworden, aber es hätte nicht mehr viel gefehlt.
    Nicht einmal ihm war der Doppelsinn der letzten Frage aufgefallen. Es handelte sich ganz klar um einen Streich des Organisationsteams, das sich etwas hatte einfallen lassen, um die Schüler zum Schluss noch einmal auf die Probe zu stellen. Glück für ihn, dass die kleine freche Tanya einen kühlen Kopf bewahrt hatte. Ihre Besonnenheit, ihre Disziplin hatte seiner Schule den Sieg beschert.
    Er überlegte kurz, ob er auf die Bühne hinausgehen und sie loben sollte, wie er es bei jedem anderen Schüler gemacht hätte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Er hatte sein Ziel erreicht. Er würde endlich wieder ruhig schlafen können, ohne Sorgen, ohne Stress. Seine nächste Aufgabe wäre, dafür zu sorgen, dass man den Sieg so wenig wie möglich mit diesem seltsamen Mädchen in Verbindung brachte.
    Er versteckte sich hinter den Kulissen und zündete sich eine Zigarette an. Für einen Mann in seiner Position war Rauchen politisch unkorrekt. Schließlich sollte ein Lehrer stets mit gutem Beispiel vorangehen. So ein Schwachsinn! , spöttelte er. Als würden seine Schüler nicht selbst alle in der Pause rauchen . Nach drei Anläufen brachte er das Feuerzeug schließlich zum Aufflammen, aber als er es an die Zigarette hielt, geschah etwas sehr Merkwürdiges.
    Die Flamme wurde grau. Anstatt Wärme verbreitete sie Kälte, bis sie schließlich gefror.
    Velasco starrte verblüfft auf den kleinen aufrechten Eiszapfen, in den sich die Flamme verwandelt hatte. Als er ihn mit dem Finger berührte, zerstieb er in einer Wolke aus Reif.
    »Was zum Teufel …?«, stammelte er. Da erblickte er im Dunkeln eine schemenhafte Gestalt, die in den Seilen der Bühnenmaschinerie herumkletterte. In dieser Woche wurde im Opernpalast alles für den ersten Teil von Wagners Der Ring des Nibelungen vorbereitet, der anlässlich des diesjährigen Stadtjubiläums aufgeführt werden sollte. Hinter den Kulissen herrschte daher ein wahres Chaos aus nordischen Landschaften, Burgen und zauberhaften Gewässern.
    »Wer ist da?«, fragte er und ging auf die Gestalt zu. Es gab überhaupt keinen Grund zur Furcht. Was konnte ihm schon passieren? Das Theater war zum Bersten voll, an jeder Tür standen Sicherheitsbeamte, sogar das Fernsehen war da. Welcher Kriminelle sollte es hier wagen?
    Das Feuerzeug war eiskalt, als wäre die Flüssigkeit im Gasbehälter ebenfalls gefroren. Er warf es in einen Papierkorb. Dann bahnte er sich einen Weg durch die großen bemalten Vorhänge, die an Ketten von der Decke hingen. Einer zeigte eine Unterwasserlandschaft mit einem von Dryaden bevölkerten Korallenriff, ein anderer stellte die Hölle dar, in der die entsetzlichsten Kreaturen wohnten.
    Velasco fand Wagner viel zu nervenaufreibend.
    Er kroch unter der Meerlandschaft hindurch und sah, dass ihm die spärliche Beleuchtung keinen Streich

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