Botschaft des Schreckens
aber das war sehr lange her. Außerdem war es jetzt dunkel. Das Vernünftigste wäre gewesen, die Polizei zu Hilfe zu rufen, aber der sterbende Priester hatte mir befohlen, nur zu den Monteras etwas zu sagen; ich mußte mich daran halten. Ich würde also zur Hacienda fahren, so schnell ich konnte, und dann würden die Monteras wohl selbst auf der Stelle die Polizei rufen!
So schnell wie möglich… aber wie? Zum zweiten Male dachte ich an Bobby Ellison. Wenn er noch in Santa Fe lebte, dann mußte er es in- und auswendig kennen. Er konnte mir helfen; auf diese Weise würde ich keine kostbare Zeit verlieren. Außerdem hatte ich so einen Vorwand, ihn aufzusuchen – und das war mir ein großes Bedürfnis, wie mir plötzlich klar wurde. Warum? Ich wußte es nicht. Vielleicht wurde die Vergangenheit in mir so lebendig, weil ich jetzt erst wieder richtig zu Hause war.
Ein paar Minuten später war ich im Lichtermeer von Santa Fe. Ich sah eine Telefonzelle und dachte: Seltsam, gleich werde ich mit dem lächerlichen Prinzen meiner Kinderträume sprechen. Wenn er inzwischen nicht anderswo lebte. Ein eigentümliches Gefühl der Einsamkeit erfüllte mich. Ich stieg aus dem Wagen und rannte fast auf die Zelle zu.
2
Ellison Robert Matty. Der Name sprang mich beinahe an, aber es konnte irgendein anderer Robert Ellison sein. Der magere, flachshaarige Junge, den ich einstmals gekannt hatte – jetzt ein würdiger Anwalt? Sein Büro befand sich in der East Palace Avenue, seine Wohnung in der Canyon Road, was die amerikanische Schreibweise von Canon Road war. Die Straße, die mich zur Hacienda Montera in den Vorbergen führen würde? Bald würde ich es wissen…
»Hallo?« Die freundliche, tiefe Stimme paßte auch nicht recht.
»Hallo«, antwortete ich unsicher. »Ich versuche, einen Robert Ellison zu finden, den ich kannte, als ich vor vielen Jahren hier in Santa Fe lebte. Es ist dringend, sonst würde ich Sie nicht belästigen. Wären Sie so freundlich, mir zu sagen, ob Sie jemals Nachbarn namens Terrill hatten? Ich bin Sally Terrill.«
»Sally Terrill? Hmm, lassen Sie mich überlegen. Nein, ich fürchte, ich…«
»War Ihre Mutter Bibliothekarin?« unterbrach ich ihn ungeduldig.
»Ja, doch. Sie lebt nicht mehr, aber sie war Bibliothekarin. Mein Gott, Sie scheinen mich ja ganz gut zu kennen, und ich hätte um keinen…«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Ich war erst zehn – Sie waren vierzehn. Sie waren immer wütend auf mich, weil ich Ihnen nachlief.«
Eine kurze Pause, ein leises Lachen. Dann rief er: »O Gott, ja! Wie konnte ich das vergessen? Ich hoffe, du trägst diese Zöpfchen nicht mehr?«
Ein seltsames Gefühl der Wärme erfüllte mich. »Nein. Ich bin jetzt Krankenschwester. Ich komme eben in die Stadt und muß unbedingt eine bestimmte Adresse finden. Da dachte ich mir…«
»Natürlich; freut mich, daß du mich anrufst. Was meinst du… Können wir uns nicht irgendwo zusammensetzen und ein bißchen über die alten Zeiten plaudern?«
»Das… das möchte ich gerne – ich fürchte nur, daß ich nicht sehr viel Zeit habe. Ich bin sehr in Eile…«
»Gütiger Himmel, du bist doch nicht etwa schon unserer Feuerwehr beigetreten? Oder fährst du vielleicht einen Ambulanzwagen?«
»Nein. Es ist nur… ich muß einfach diese Leute finden. Ich möchte es Ihnen ja gerne erklären, aber ich kann nicht. Nicht jetzt.«
»Brauchst du auch nicht. Aber wenn ich dir dabei helfen soll – würde es dir sehr viel ausmachen, mir zuzuflüstern, wen, zum Teufel, wir überhaupt suchen?«
»Die Hacienda Montera. Eine Dona Isabella lebt dort… und ihre Enkel. Es ist irgendwo in den Vorbergen – man fährt über die Canyon Road.«
»Ja, ich habe davon gehört. Um diese alten Haciendas ranken sich Legenden, weißt du. Nur ein schüchterner Hinweis: Es ist am Ende der Welt.«
»Ganz gleich, es ist ungeheuer wichtig. Ich muß sie so schnell wie möglich finden.«
Jetzt kam eine längere Pause. »Okay«, sagte er dann. »Siehst du die Adresse meines Hauses im Telefonbuch? Es ist auch in der Canyon Road. Glaubst du, du kannst es finden?«
»Ja, bestimmt. Wie kann ich dir nur danken?«
»Gar nicht. Ich werde schon auf dich lauern.«
Als ich weiterfuhr, erkannte ich die Namen von alten, einmal vertrauten Straßen. Das Haus an der Canyon Road fand ich viel leichter, als ich erwartet hatte. Bob Ellison erwartete mich bereits. Er hatte nichts mehr von dem mageren, flachshaarigen Jungen, der er einst gewesen war.
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