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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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war nicht aufgetaucht, sagte Thomas Ilic, dafür waren Bermann, Pauling und weitere Kollegen eingetroffen. Sie nickte schweigend. Plötzlich war Bermanns Stimme zu hören: »Ich hab versucht, dich anzurufen, aber wenn du nicht an dein Scheißtelefon gehst.«
    »Ich war pinkeln.«
    Marcel lächelte, Bermann schnaubte ungeduldig. »Der Helikopter.«
    »Ja.«
    »Wo … Verdammt, erzähl mir nicht, dass du sie gefunden hast! Bist du bei ihnen?«
    »Ja.«
    »Scheiße! Wir kommen hoch.«
    »Nein, bleibt, wo ihr seid, ich komme runter.«
    Sie beendete die Verbindung, ließ das Telefon auf die Tasche fallen. Einen Moment lang starrte sie es an, dann wandte sie sich Marcel zu. Sie hatte damit gerechnet, dass Bermann noch einmal anrief. Er tat es nicht. Sie wusste, was das bedeutete.
    Er kam hoch.
    »Beeilt euch, ja?«, sagte sie.

    Nur Augenblicke später tauchte der Helikopter über der Lichtung auf, ein schwarzes, schmales, nervöses Insekt. Der Lärm wurde zur Tortur. Die Baumkronen neigten sich im Rotorabstrahl zur Seite, Blätter wurden herumgewirbelt. Sie kniff die Augen zusammen und beobachtete gespannt, wie das Insekt über der Lichtung kreiste, schließlich langsam heruntersank. Sie wusste nicht viel über Hubschrauber, aber ihr war klar, dass nur militärische Einheiten Hubschrauber wie diesen flogen. Zwei Rotoren, spitze Nase, eine Art Doppelcockpit mit zwei schräg hintereinander liegenden, wabenähnlichen Zellen. Auf der Flanke stand in Großbuchstaben »Tiger«. Vielleicht war es besser, dass Schober und sein Pilot nach Freiburg zurückgeflogen waren. Ein
    »Bussard« der baden-württembergischen Hubschrauberstaffel hätte gegen diesen Tiger keine Chance gehabt.
    Plötzlich waren Marcels Leute wieder da. Einer lotste den Helikopter herunter, die anderen sicherten das Gelände. Falls Jamal nicht gewusst hatte, wo sie sich aufhielten, wusste er es jetzt.
    Das Gleiche, dachte sie, galt für Rolf Bermann.
    Der Helikopter stoppte einen Meter über dem Boden. Die Piloten in den Cockpits trugen Helme, aber keine Gesichtsmasken. Im geöffneten Passagierraum warteten zwei Männer. Einer von ihnen hielt ein Präzisionsgewehr an der Schulter, kontrollierte den Waldrand. Trotz des Lärms nahm sie eine Stimme wahr – Marcel, der über Funk mit dem Piloten sprach. Sie sah den Piloten nicken, den Daumen heben.
    Dann geschah nichts mehr.
    Sekunden verstrichen. Die Bäume und Blätter bewegten sich im Wind. Die Menschen rührten sich nicht.
    Bleierne Sekunden, bis sie verstand.
    Sie warteten auf Jamal.

    Jamal kam eine halbe Minute später. Sie hatte ihn nicht gleich gesehen, weil er von der anderen Seite auf das Heck des Helikopters zu lief. Plötzlich fielen Schüsse, jemand brüllte eine Warnung auf Englisch, die schwarzen Köpfe fuhren herum.

    Jamal tauchte auf ihrer Seite des Helikopters auf, ein riesiges Kampfmesser in der Hand, das dunkle Gesicht starr vor Konzentration und Entschlossenheit. Dann war er mitten unter ihnen, sprang und drehte sich in einem bizarren, rasend schnellen Tanz, rang mit der einen Hand, stieß mit der anderen zu. Sie hörte Schreie, sah schwarze Leiber stürzen, Jamals Hände und Arme waren blutüberströmt, das Messer rot, überall war Blut. Sie wurde nach hinten gerissen, stolperte rücklings an Marcel vorbei, sah im Fallen wieder Blut, ein Regen aus Blut, hörte Schüsse aus einer automatischen Pistole, dann kam sie auf dem Wiesenboden auf, sah, wie über ihr der Himmel aufbrach, die Sonne durch die Wolkendecke stieß, schloss die Augen, dachte, wann ist das alles endlich vorbei, wann ist das alles nur endlich vorbei.

    Als keine Schüsse mehr fielen, setzte sie sich auf. Im grellen, heißen Morgenlicht beobachtete sie, wie Marcel und seine Leute zwei Tote und einen offensichtlich schwer Verletzten in den Helikopter hoben. Einer der Toten war Jamal. Dann kam Marcel zu ihr, kniete sich vor sie. Er sagte etwas, doch im Lärm der Rotoren, in der Erschöpfung verstand sie kein Wort. Über seine Wange lief Blut, seine Schulter war voller Blut, überall Blut. Sie dachte, dass er vielleicht »Virginia« gesagt hatte, wir sehen uns irgendwann in Virginia, wenn du die Namen der Toten an die weiße Wand schreibst, aber sie war nicht sicher, vielleicht hatte er auch nur gefragt, ob alles in Ordnung sei. Sie zuckte die Achseln. Sein Mund bewegte sich, wieder verstand sie nicht.
    Diesmal hatte sie tatsächlich den Eindruck, dass er »Virginia«
    gesagt hatte, vielleicht auch, weil er lächelte, und sie

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