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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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Die Wohnung einer Freiburger Hauptkommissarin. Eine kleine Lichtung am Rappeneck im Großen Tal morgens um sieben.
    Sie starrte auf die Augenschlitze der Maske, wartete auf ihre Wut, ihre Enttäuschung. Aber sie kamen nicht. Für Wut und Enttäuschung brauchte man Kraft. Sie fühlte nur Erleichterung, weil diese furchtbaren Tage bald ein Ende finden würden.
    »Ihr seid verhaftet«, sagte sie, wiederholte es lauter auf Englisch. Niemand reagierte. Sie lächelte. In Würde untergehen, das war doch immerhin etwas. Sie zog sich den Tragriemen der Tasche über den Kopf, hielt sie Marcel hin, drehte sich, ließ sich die Waffe aus dem Gürtelholster ziehen.
    »Gehen wir.« Er deutete in die Richtung, aus der sie gekommen war.
    »Shahida holen?«
    Er nickte. »Du hast viel herausgefunden.«
    »Das Wichtigste nicht.«
    »Kommt darauf an, wie man es sieht.«
    »Nein, das Wichtigste nicht.« Wohin sie von hier aus verschwinden würden. Wer sie waren. Wie man sie zur Rechenschaft ziehen konnte. Wer mit drin steckte. Steckte der BND, das BKA mit drin? Das Bundesinnenministerium? Die CIA? Es kann doch nicht sein, dass ihr ohne Deckung von sehr weit oben agiert, also wer steckt mit drin?

    Das und anderes hatten sie nicht herausgefunden.
    »Du könntest es mir erzählen.«
    »Und dann?«
    »Versuche ich, euch Ärger zu machen.«
    »Dafür hast du viel Talent.«
    »Das ist mein Beruf, weißt du. Verbrechern Ärger machen.«
    Marcel reagierte nicht.
    Sie warf einen Blick auf die anderen drei Männer. Reglose, lautlose Schatten, kaum wahrnehmbar vor dem dunklen Wald.
    Sie hatten die Hände mit den Waffen gesenkt, schienen aber nicht sie und Marcel, sondern die Lichtung und den Wald im Auge zu behalten. Profis eben.
    Profis aus welchem Land? Mit welchem Auftraggeber? Sie würde es nie erfahren.
    Weitere Fragen zogen langsam und bruchstückhaft durch ihr Bewusstsein. Warum musste Shahida sterben? Wer hat sie erschossen? Du, Marcel? Habt ihr denn nicht gemerkt, dass sie noch gelebt hat? Sie verschob die Fragen auf später. Jetzt musste sie sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Wesentlich war, wenn Marcels schwarze Horden Shahida holen wollten, Thomas Ilic. »Mein Kollege ist bei ihr.«
    »Der Kroate?«
    Sie nickte.
    »Sonst ist niemand gekommen?«
    »Nein. Aber sie sind unterwegs.«
    »Das könnte problematisch werden.«
    »Warum? Erschießt sie.«
    Marcel sagte nichts.
    »Erschießt sie«, wiederholte sie. Endlich flackerte ein bisschen Wut auf. Sie trat dicht zu ihm, sagte: »Nimm die Maske ab.«
    »Wozu?«
    »Nimm die scheiß Maske ab. Ich rede nicht mit Leuten, die ihr Gesicht vor mir verstecken.«
    Er legte einen Finger an den Mund.

    »Die Maske«, sagte sie leiser. »Na los.«
    Einen Schritt zurücktretend, zog er sich die Maske vom Kopf.
    Die halblangen, hellbraunen Haare klebten ihm nass an Kopf und Stirn. Er sah so müde und erschöpft aus, wie sie selbst aussehen musste. Seine Miene war wachsam wie in ihrer Wohnung, wenn auch ein wenig ungeduldig. Die Zeit schien knapp zu werden.
    Die vier Toten waren ihm nicht anzusehen. Genauso wenig die anderen, die es geben mochte.
    Tu was, drängte eine Stimme in ihrem Kopf. Lass ihn nicht so davonkommen. Das ist doch deine Aufgabe. Deswegen bist du doch hier.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Keine Kraft mehr für Empörung, Wut, den Kampf. Sie war am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt.
    Marcel berührte ihren Arm, deutete erneut hangabwärts.
    Nebeneinander gingen sie Richtung Wald, zwei übernächtigte Wanderer am Morgen, die sich vieles zu erzählen hatten und über das Wichtigste nicht sprechen würden.
    Doch auch die unwichtigen Fragen verlangten nach Antworten. »Warum hattest du die Maske in meiner Wohnung nicht auf?«
    »Du kennst den Grund.«
    Sie nickte zögernd. Er hatte ihr Vertrauen gebraucht. Ihr Vertrauen war für den Plan von grundlegender Bedeutung gewesen. Er hatte es sich erkauft, indem er ihr sein Gesicht gezeigt hatte. »Und jetzt? Ich kann dich identifizieren. Löst du dich in Luft auf?«
    »In gewisser Hinsicht, ja.«
    »Ach, wir gehen in den Vorruhestand?«
    »Wir bekommen einen Schreibtisch.«
    »Mit Blick auf die Wälder von Virginia?«
    Er zögerte. Wenigstens das war noch möglich – Marcel überraschen. »Mit Blick auf weiße Wände.«

    »Auf denen die Namen von Toten stehen.«
    »Einer oder zwei, ja.«
    »Lew Gubniks Name zum Beispiel?«
    Er antwortete nicht gleich. Dann sagte er: »Der Feuerwehrmann aus Kirchzarten?«
    Sie nickte. Da war

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