Boys Dont Cry
Mutter.«
»Und du ihr Vater«, feuerte Melanie zurück. »Was verstehe ich schon davon, ein Kind großzuziehen? Mein Vater hatte nicht genug für mich und meine Schwester übrig, um bei uns zu bleiben, und meine Mutter musste zwei Jobs annehmen, damit wir jeden Tag Essen auf dem Tisch hatten. Ich habe mich selbst erzogen, Dante. Ich weiß nicht, wie man jemand anderen großzieht und ich … ich liebe Emma zu sehr, um ihr Leben zu verpfuschen.«
»Melanie, du kannst es nicht hierlassen.«
»Dante, ich muss. Wenn sie bei mir bleibt, dann habe ich Angst, dass ich …«
»Angst wovor?«
Melanie gab keine Antwort.
»Antworte mir. Wovor hast du Angst?«, brüllte ich.
»Vor dem, was passieren könnte … was ich tun könnte …« Melanies Stimme war nun kaum mehr als ein Flüstern.
»Ich verstehe nicht …«
»Dante, ich liebe unsere Tochter. Wirklich. Ich würde für sie mein Leben geben. Aber ich habe kein Leben. Emma und ich wohnen in einem Zimmer in der winzigen Wohnung meiner Tante, ohne die Aussicht darauf, dass es jemals besser wird. Ich habe für Emma mein Leben aufgegeben, meine Freunde, meine Träume, und manchmal, wenn ich mit ihr allein bin und sie nicht zu weinen aufhört … Manchmal erschrecke ich über meine eigenen Gedanken. Die Dinge, die ich tue … die Dinge, die ich tun will, erschrecken mich. Emma verdient es, bei jemandem zu sein, der sich richtig um sie kümmern kann.«
Ach du lieber Gott … »Da bin ich die falsche Adresse«, protestierte ich, während ich zu begreifen versuchte, was Mel da von sich gab. »Ich verstehe nicht das Geringste von Babys.«
»Vielleicht nicht, aber du wirst es lernen. Du warst schon immer geduldiger als ich. Und du hast deinen Dad und deinen Bruder und ein großes Haus und Freunde.«
Das musste wohl ein Witz sein. »Mel, tu das nicht …«
»Tut mir leid, Dante. Sag Emma … sag ihr, dass ich sie lieb habe.«
»Melanie …«
Doch sie hatte schon aufgelegt. Ich wollte zurückrufen, aber die Nummer war ja unterdrückt. Fassungslos starrte ich auf mein Handy. Ich konnte und wollte nicht glauben, was gerade passiert war. Nach einigen Augenblicken merkte ich, wie ich zitterte, es schüttelte mich richtig.
War das eine Art makaberer Scherz?
Der bohrende Schmerz in meinem Magen sagte mir etwas anderes.
Abgeladen. Melanie hatte ihr Baby bei mir abgeladen und war jetzt weiß Gott wo. Sie war frei und ungebunden. Und ich? Man hatte mir ein Kind aufgebürdet, das angeblich meines war. Nicht mit mir. Ich würde in kaum einem Monat zur Uni gehen und auf keinen Fall zulassen, dass Melanie und irgendein Baby all meine Pläne zerstörten, ganz zu schweigen von meinem Leben. Auf gar keinen Fall.
Das Geschrei wurde immer lauter. Meine Welt war außer Kontrolle geraten, ich befand mich in einem Strudel, der mich mitriss, wie das Wasser, das in den Abfluss strömt. Erst einmal musste ich etwas gegen den verdammten Krach unternehmen. Ich ging ins Wohnzimmer, trat vor den Buggy und blickte auf das Ding hinunter, das angeblich mein Kind war … meine Tochter. Das Wort löste ein Erdbeben der Stärke 10 auf der Richter-Skala in mir aus. Wie konnte ich ein Kind haben? Zehn nicht weiter erwähnenswerte Minuten mit Melanie und jetzt hatte ich dieses Ding am Hals, das mich anbrüllte? Und es war so laut, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte.
»Könntest du bitte zu weinen aufhören – nur für fünf Minuten?« Die Worte waren heraus, ehe ich merkte, wie lächerlich sie waren. Als könnte man mit dem Ding im Buggy vernünftig reden.
O Gott, dieser Krach.
Mach was – und zwar schnell.
Ich schob den Buggy vors Fenster. Vielleicht würde das Ding draußen etwas entdecken, was es ablenkte, und zu weinen aufhören. Rasch zog ich mein Handy heraus und ging damit in die Küche, wo man das Schreien des Babys nicht hörte.
»Collette, erinnerst du dich noch an Melanie? Melanie Dyson«, legte ich los, kaum dass sie ›Hallo‹ gesagt hatte.
»Das Mädchen, das vor einer ganzen Weile verschwunden ist?«
»Ja, die.«
»Natürlich erinnere ich mich. Was ist mit ihr?«
»Ihr wart doch befreundet, oder?«
»Wir waren zwar nicht gerade Feinde, aber auch nicht so dicke, dass wir Geheimnisse ausgetauscht hätten, wenn du das meinst.«
»Du … Du hast nicht zufällig ihre aktuelle Handynummer oder die Telefonnummer oder Adresse ihrer Tante?«
»Nein. Und warum sollte ich ausgerechnet wissen, wie ihre Tante heißt oder wo sie wohnt?« Ich sah förmlich
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