Bradshaw Gillian - Artus 02
denn?«
»Was los ist? Siehst du es denn nicht?« Ihr Blick war starr, sie hatte den Kopf zurückgelegt, so daß die Schatten in der Höhlung ihrer Kehle zitterten.
Ich schaute wieder hin. Wieder konnte ich nichts als die Straße sehen. Aber Eivlins Hand zitterte, und das Pony legte die Ohren zurück und begann unruhig hin- und herzutreten. Es schnaubte.
»Es ist nichts da«, sagte ich. »Komm weiter.«
Eivlin machte ein wimmerndes Geräusch und tat einen Schritt zurück. »Ein Schatten«, flüsterte sie. »Da ist etwas auf der Straße.«
»Da ist nichts. Bei dieser Sonne sind doch alle Schatten hinter uns.«
»Nein! Ein Schatten, noch einer. Bei der grünen Erde!« Sie wirbelte herum und ließ die Zügel des Ponys fallen. Das Tier schnaubte und bäumte sich halb auf, und ich packte die Zügel und preßte die Knie zusammen. »Rhys!« schrie Eivlin. »Es ist auch hinter uns!«
»Eivlin, da ist ja nichts. Eivlin!« Sie hörte mir nicht zu. Ich glitt vom Pony herab und packte ihren Arm. »Da ist doch nichts.«
»Der Fluch meiner Herrin. Er hat uns gefunden. Oh. Es kommt näher. Rhys, hilf mir!«
Ich packte ihre Schultern. »Es ist nur ein Schatten. Sie versucht dir Angst zu machen.«
Eivlin warf plötzlich die Arme um meinen Hals und preßte ihr Gesicht an meine Schulter. »Laß sie nicht an mich heran! Hilf!« Ihre Arme spannten sich, bis ich kaum noch atmen konnte, aber ich hielt sie fest. Und dann wurde sie starr. Sie warf sich von mir zurück und begann zu schreien. Ich packte ihre Arme. Sie versuchte sich von mir loszureißen. Ihre Augen starrten entsetzt auf nichts, sie waren so weit aufgerissen, daß das Weiße rund um das Blau zu sehen war, und ihr Gesicht sah aus wie bei einer Frau, die tödliches Fieber hat. Das Pony wieherte laut, stieg und riß sich los. Seine Augen rollten. Ich ließ Eivlin mit einer Hand los und versuchte, die Zügel zu packen, aber ich verfehlte sie, und das Pony schoß die Straße hinunter. Eivlin schrie weiter. Es war ein fürchterliches, hohes, rhythmisches Heulen. Schaum zeigte sich an ihren Mundwinkeln.
»Gnädiger, heiliger Christ!« schrie ich laut. »Eivlin, Eivlin, hör doch zu!«
Sie kämpfte wilder. Sie schaffte es fast, sich loszureißen. Sie schlug mit der freien Hand nach mir. Es war mir, als ob wir mitten in einer würgenden schwarzen Wolke kämpften, und ich spürte wieder den gleichen, ekelhaften Schwindel, den ich beim Anblick von Morgas auch gehabt hatte. Eivlin trat und kratzte, und ihre Schreie wurden zu kurzem Kreischen, das mir noch mehr Angst machte.
»Eivlin!« sagte ich noch einmal, aber ich wußte, daß nichts, was ich sagte, sie erreichen konnte. Eine Wut kam über mich, daß Morgas in der Lage war, so etwas zu tun. Ich schaffte es, Eivlins andere Hand wieder zu ergreifen. Morgas hatte kein Recht, weder im Himmel noch auf Erden. Sie hatte überhaupt kein Recht. Ich zerrte Eivlin zum Rand der Straße hinüber. Was immer ich tun konnte, das würde ich tun.
Am Straßenrand war in einem Graben etwas Wasser. Es war ein flacher Tümpel von den Regenfällen des Frühlings. Ich zerrte Eivlin dorthin. Sie kämpfte mit mir. Ich trat ihr die Beine unterm Leib weg, und wir stürzten beide ins Wasser. Sie richtete sich platschend wieder auf, sie keuchte und kreischte. Ich ließ einen ihrer Arme los, nahm mit der Handfläche etwas Wasser auf und goß es über ihren Kopf. »Eivlin«, sagte ich, »ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und zum Teufel mit dir, Morgas!«
Eivlin stieß einen einzigen langen, hohen Schrei aus und holte aus. Sie traf mich an der Schläfe. Eine Sekunde lang wurde die Welt rot, und ich ließ sie los. Sie krabbelte davon, brach zusammen, richtete sich ein paarmal halb auf und platschte wieder ins Wasser. Sie lag still da, mit dem Gesicht nach unten.
Ich stolperte zu ihr und drehte sie um, so daß sie atmen konnte. Ihr Kopf fiel schlaff zurück; ihre Augen standen halb offen und waren glasig. Mir war übel bis ins Mark. Ich zitterte wieder, mir wurde klar, daß ich schluchzte.
Ich kniete in dem Tümpel und zog ihre Schultern auf meine Knie. Ich lehnte ihren Kopf an meinen Arm. Ich betete. »Herr, lieber Gott, laß sie nicht tot sein!« Ich wiederholte die Worte immer und immer wieder. Ganz vorsichtig legte ich meine Finger in die Grube, wo ihr Kiefer an die Kehle angrenzte. Die Haut war naß und kalt, und Ewigkeiten lang spürte ich nichts – dann, ganz schwach, schlug ihr Puls unter meinen Fingerspitzen. Ich schloß
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