Brandhei
indianischer Frau, heute beherbergte es die urigen, anheimelnden Gästezimmer und das Esszimmer für die gemeinsamen Mahlzeiten. Es verbreitete die Atmosphäre des Wilden Westens, war rustikal und karg eingerichtet, was jedoch den Umständen und nicht den Vorstellungen eines Innenarchitekten geschuldet war. Es musste dringend renoviert werden, was bei dem warmherzigen, freundlichen Service auf Blue Flame glücklicherweise kaum auffiel.
Das Haus lag auf einem sanften Hügel und überblickte die übrige Ranch. Das große Holzdach bedeckte einen Whirlpool, der gesäubert und gebrauchsfertig war. Auch die individuell möblierten Zimmer, die den Charme eines durchaus armen, ländlichen Lebens ausstrahlten, waren adrett und sauber. Mittelpunkt des Hauses war das große Wohnzimmer, in dem die Gäste und die Farmarbeiter zusammenkamen. Dort gab es einen großen gemauerten Kamin für die langen Winterabende, an denen der Raum verheißungsvoll einladend wirkte. Dass der narbige Dielenfußboden im vergangenen Jahr mangels Erträgen nicht hatte ersetzt werden können, änderte daran nichts.
Aber dieses Jahr sollte alles anders werden. Als Verwalterin der Ranch hatte Callie viele lange Abende damit verbracht, die Website zu erstellen. Sie sparte, wo es nur ging, um mehr Geld in Werbung zu investieren – mit dem Ergebnis, dass die Buchungszahlen von Woche zu Woche stiegen.
Freude und Enthusiasmus stiegen in ihr auf – wie immer, wenn sie daran dachte, wie sich Blue Flame innerhalb von zwei Jahren von einer wahren Bruchbude langsam zu einem Schmuckstück verwandelte. Und ihr war ihr eigener, großer Anteil daran durchaus bewusst.
Vorsichtig bewegte Callie sich auf das eigensinnige Ferkel
zu. »Bleib schön dort stehen«, sagte sie leise und ging mit ausgestreckten Armen zu ihm hin. »Rühr dich ja nicht vom Fleck...« Sie bückte sich, um das Ferkel zu packen, und genau in dem Moment klingelte ihr Handy, das sie in der Gürteltasche trug.
Laut quiekend rannte das Schwein davon, und Callie landete mit leeren Armen im Schlamm. Sie hob den Kopf, wischte sich das Gesicht am Ärmel ab und griff nach dem Telefon. »Hallo?«
»Hallo, Callie! Ich würde gern ein Zimmer buchen.«
Callie, die jetzt lang ausgestreckt und von oben bis unten verdreckt auf dem Bauch lag, verstummte augenblicklich. Diese Stimme. Sie hatte sie schon sehr lange nicht mehr gehört, aber nicht vergessen.
Sie gehörte Jake Rawlins, dem Mann, der ihr perfektes Leben mit fünf kurzen Worten zerstören konnte – Ich werde Blue Flame verkaufen. Er war der einzige Mann, der sie zum Wahnsinn treiben konnte, und der letzte Mann, der sie nackt gesehen hatte.
Lieber hätte sie noch fünfzig Ferkel gejagt, als mit ihm zu sprechen. »Du brauchst ein Zimmer? Wieso?«
»Was soll das heißen – wieso?« Er lachte leise. Es war ein Lachen, das sie zugleich ärgerte und elektrisierte. »Weil ich mir dachte, ich komme mal eine Weile auf die Ranch. Lass mich mal so richtig verwöhnen.«
Verwöhnen. Niemand wusste besser als sie, dass Jake mehr als genug Charme und Charisma hatte und nichts dabei fand, diese Gaben einzusetzen, um Frauen ins Bett zu bekommen... Nur einem Mann wie Jake konnte es einfallen, auf eine Gästeranch zu kommen, um sich verwöhnen zu lassen.
Sie hasste die Erinnerung an jenen Abend nach Richards Beisetzung! Voller Trauer über den Verlust ihres Chefs, ihres
treuen Ratgebers, des Mannes, der ihr einst das Leben gerettet hatte, hatte sie sich mit dessen Sohn in Verbindung gesetzt. Sie hatte Jake am Flughafen abgeholt, ihn zur Kirche gefahren und zurück nach Blue Flame gebracht.
Er war das erste Mal auf der Ranch gewesen.
Sie hatte seine leise, heisere Stimme als Schmerz missdeutet und seine ruhigen, selbstsicheren Bewegungen als Zeichen dafür, dass er sich in dieser Umgebung ganz wie zu Hause fühlte. Bei einer Flasche alten Whiskeys war sie zu der Überzeugung gelangt, in ihm einen Seelenverwandten gefunden zu haben, mit dem sie gemeinsam trauern konnte.
Für das, was danach geschah, hätte sie nur zu gerne ihre Trauer und den Whiskey oder Jake und seine hinreißende Stimme, seinen talentierten Mund oder seine noch begabteren Hände verantwortlich gemacht. Aber die Wahrheit war, dass sie in jener Nacht hatte umarmt werden, sich selbst, alles hatte vergessen wollen.
Und genau das hatte sie getan, bis ihr auffiel, dass nur sie selbst traurig war. Denn Jake empfand gegenüber seinem Vater nur eines: Feindseligkeit und Zorn.
Unglücklicherweise
Weitere Kostenlose Bücher