Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Lotty ist allergisch gegen Polizeireviere – sie haben in ihrer Kindheit eine fürchterliche Rolle gespielt –, und das machte ihren Einsatz doppelt wertvoll für mich.
Ich fragte sie nach Elena. Meine Tante war wegen Erschöpfung behandelt und der gebrochene Finger war geschient worden, aber das Krankenhaus hatte sie gegen Mittag entlassen. Nachdem sie mir von Elena berichtet hatte, versuchte Lotty, mich mit anderen Dingen abzulenken, zum Beispiel mit der Aussicht auf Ferien. Sie holte einen dicken Aktendeckel mit Reiseprospekten heraus – Reisen in die Karibik, an die Costa Brava, in ein warmes freundliches Klima, das mich den Winter von Chicago, der sich näherte, vergessen machen würde.
Am Freitag schließlich ließ Lotty den Rest der Welt auf mich los. Sie legte die Regeln mit ihrer ganzen gebieterischen Macht fest: Wer mich sprechen wollte, mußte in die Sheffield Avenue kommen. Leider war jede Menge von Leuten so erpicht darauf, mit mir zu sprechen, daß sie diese Bedingung akzeptierten.
Die erste in der Schlange war Alison Winstein, die stellvertretende Staatsanwältin, der Lotty letztes Jahr das Leben gerettet hatte. Sie ging mit mir durch, was ich wußte und was ich vermutete. Wie alle Staatsanwälte hatte sie nicht das Gefühl, sie müsse sich für irgend etwas revanchieren, aber sie sagte mir immerhin, sie hätten Haussuchungsbefehle für Alma und Farmworks durchgesetzt. Sie hatten die County-Vertragsunterlagen beschlagnahmen wollen, aber Boots war ein gerissener Kämpfer – weder er noch Ralph hätten ohne ein heftiges Gefecht Akten herausgerückt.
Als Ms. Winstein gegangen war, las ich die Zeitungsberichte über mein Abenteuer. Murray hatte auch ohne mit mir zu sprechen einen äußerst starken Artikel zusammengebracht – er hatte ein Exklusivinterview mit Mr. Contreras bekommen, und es war ihm gelungen, Elena aufzuspüren, ehe sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Ich grinste über das Interview mit meinem Nachbarn. Von allen Männern, die ich kenne, kann Mr. Contreras Murray am wenigsten leiden – er hält ihn für einen arroganten Schnösel und einen scharfen Hund. Mit diesem Artikel hatte sich Murray zumindest den zweiten Beinamen verdient.
Als ich die Zeitungen gelesen hatte, rief ich Robin Bessinger bei der Ajax an. Er hatte die Zeitungen gelesen und war ziemlich kleinlaut. »Tut mir leid, daß wir dein Urteilsvermögen nicht richtig eingeschätzt haben, Vic. In diesem Fall warst du der Profi. Ich – könnten wir uns wieder zum Abendessen treffen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich langsam. »Darüber muß ich nachdenken. Aber etwas kannst du für mich tun – laß einen Scheck für Saul Seligman ausschreiben. Ich bringe ihn morgen früh zu ihm.«
»Wir möchten als Nebenkläger gegen MacDonald und Boots auftreten«, sagte Robin.
»Meinen Segen habt ihr. Aber laßt den alten Mann nicht hängen. Er hat schlimme drei Wochen hinter sich; sein Liebling unter den alten Gebäuden ist fort, und seine Mitarbeiterin ist ermordet worden. Ich weiß, daß du die Räder der Bürokratie ölen kannst. Bring ihn auf dem Heimweg zur Post, und morgen gebe ich ihn Mr. Seligman.«
Robin war einverstanden, etwas widerstrebend. Vielleicht lag es an der Hoffnung auf ein Abendessen – und so weiter –, daß er sich überhaupt bereit erklärte. Ich mußte erst wieder zu Kräften kommen und eine Menge Verletzungen auskurieren, ehe ich in der Stimmung war für Abendessen und so weiter.
Lotty war ins Beth Israel gefahren, um nach ihren dringenden Fällen zu sehen, aber sie kam zum Mittagessen zurück und machte eine selbstgekochte Hühnersuppe warm. »Du bist so dünn, Liebchen. Ich möchte, daß diese violetten Ringe um deine Augen verschwinden.«
Ich aß gehorsam zwei große Portionen und ein paar Scheiben Toast. Beim letzten Stück Toast kam Murray. Ich hatte keine große Lust, mit ihm zu sprechen, aber je früher ich es tat, desto schneller hatte ich es hinter mir. Und als ich ihm alles gesagt hatte, war ich froh darüber, denn er wußte, was mit Furey war – fristlos ohne Gehalt vom Dienst suspendiert, gegen eine Kaution von hunderttausend Dollar auf freiem Fuß, unter Anklage auf versuchten Mord an mir, Elena und Mr. Contreras.
»Im Fall dieses jungen Mädchens – wie hieß sie noch? Cerise? – werden sie ihm nie etwas beweisen können. Sergeant McGonnigal hat mir im Vertrauen erzählt, daß sie Heroin vermissen, das sie bei einer Drogenrazzia vor etwa einem Monat beschlagnahmt haben.
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