Brandzeichen
Ertrinken gerettet.« Nora erinnerte sich an den schönen schwarzen Labrador irr: Wohnzimmer und fragte sich, ob er wohl ein Nachkomme des Tieres sei, das Keene gerettet hatte - oder nur eine Erinnerung daran, in wie tiefer Schuld er bei Hunden stand.
»Also gut«, sagte Keene,
»Sie können bleiben.«
»Danke.« Travis' Stimme klang brüchig.
»Ich danke Ihnen. »
Keene befreite seine Hand aus Travis' Griff und sagte »Aber bis wir sicher sein können, daß Einstein überlebt, werden wenigstens achtundvierzig Stunden vergehen. Das wird eine lange Zeit.«
»Achtundvierzig Stunden ist gar nichts«, sagte Travis.
»Zwei Nächte, die wir auf dem Boden schlafen müssen. Das schaffen wir.«
»Ich habe das Gefühl, daß für Sie beide achtundvierzig Stunden eine Ewigkeit dauern werden«, meinte Keene, »so wie die Umstände liegen.« Er schaute auf die Armbanduhr und meinte dann:
»In zehn Minuten kommt meine Assistentin, dann öffnen wir die Praxis für den Vormittag. Ich kann Sie nicht hier um mich haben, während ich mich um andere Patienten kümmere. Und Sie werden auch ganz bestimmt nicht im Wartezimmer unter besorgten Tierhaltern und kranken Tieren warten wollen, das würde Sie nur deprimieren. Sie können im Wohnzimmer warten. Wenn ich dann am späten Nachmittag die Praxis schließe, können Sie ja hierher zurückkommen, um bei Einstein zu sein.«
»Dürfen wir untertags mal reinsehen?« fragte Travis. Keene lächelte.
»Also schön. Aber nur ganz kurz.« Unter Noras Hand hörte Einstein schließlich zu zittern auf. Etwas von dem Druck löste sich, er entspannte sich, als hätte er gehört, daß sie in seiner Nähe bleiben würden, und wäre deswegen sehr beruhigt. Der Vormittag verstrich qualvoll langsam. In Dr. Keenes Wohnzimmer gab es einen Fernseher, Bücher und Zeitschriften, aber weder Nora noch Travis brachten es fertig, für Fernsehen oder Lesen auch nur das geringste Interesse aufzubringen. Etwa jede halbe Stunde huschte einer von ihnen den Korridor hinunter und spähte zu Einstein hinein. Sein Zustand schien sich nicht zu verschlechtern, besserte sich aber auch nicht. Einmal kam Keene herein und sagte:
»Übrigens, benützen Sie ruhig das Bad. Und im Kühlschrank sind kalte Getränke. Wenn Sie wollen, können Sie sich auch Kaffee machen.« Er sah lächelnd auf den schwarzen Labrador, der neben ihm stand.
»Und dieser Bursche hier ist Pooka. Wenn Sie es zulassen, liebt er Sie zu Tode.« Pooka war tatsächlich einer der freundlichsten Hunde, die Nora je gesehen hatte. Er rollte sich auf den Rücken, ohne daß man ihn dazu aufzufordern brauchte, spielte tot, setzte sich auf die Hinterbeine und schnüffelte dann schweifwedelnd herum, um sich mit ein paar Streicheleinheiten belohnen zu lassen. Den ganzen Vormittag lang ignorierte Travis das Werben des Hundes um Zuneigung, als wäre es ein Verrat an Einstein, wenn er Pooka streichelte, und würde Einsteins Tod an der Staupe bedeuten. Nora hingegen ließ dem Hund die Aufmerksamkeit zuteil werden, die er sich wünschte. Sie sagte sich, wenn sie Pooka gut behandelte, werde es die Götter freuen und sie würden dann Einstein gewogen sein. Ihre Verzweiflung erzeugte in ihr einen Aberglauben, der ebenso heftig war wie der ihres Mannes - wenn auch von völlig anderer Art.
Travis ging auf und ab, saß auf der Sesselkante, den Kopf gesenkt, das Gesicht auf die Hände gestützt, dann wiederum stand er lange Zeit an einem der Fenster und starrte hinaus aber ohne die Straße zu sehen, sondern ganz auf irgendwelche dunklen Visionen konzentriert. Er gab sich die Schuld für das was geschehen war. Und wenn Nora ihm den wahren Sachverhalt klarzumachen versuchte, trug das nicht dazu bei, sein irrationales Schuldgefühl zu verringern.
Den Blick starr auf ein Fenster gerichtet und die Arme an den Leib gepreßt, als fröre er, sagte Travis leise:
»Meinst du Keene hat die Tätowierung gesehen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht nicht.«
»Glaubst du, daß man wirklich eine Beschreibung Einsteins an die Tierärzte verteilt hat? Wird Keene wissen, was die Tätowierung bedeutet?«
»Vielleicht nicht«, sagte sie.
»Vielleicht haben wir Verfolgungswahn.«
Aber nach dem, was sie von Garrison gehört hatten, nach all der Mühe, die die Behörden sich gegeben hatten, um ihr davon abzuhalten, eine Warnung an sie weiterzuleiten, wußten sie, daß die Suche nach dem Hund immer noch in vollen-Gange war. Also gab es keinen Grund, von Verfolgungswahn zu reden. Von
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