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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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tatsächlich, in den Sitten wieder eine gewisse Ordnung zu schaffen. Aber in einem Punkte stoßen sie bei der ganzen Kolonie auf erbitterten Widerstand – in der Frage der Sklaverei, die vom Anfang bis zu Ende, von 1500 bis fast 1900, die Crux des brasilianischen Problems bleiben wird. Die Erde braucht Hände, und es sind nicht genug Hände da. Die wenigen Kolonisten reichen nicht aus, um das Zuckerrohr zu pflanzen und in den »engenhos«, den primitiven Fabriken zu arbeiten; außerdem sind diese Abenteurer und Konquistadoren nicht deshalb über das Meer in dies tropische Land gekommen, um hier mit Hacke und Schaufel zu werken. Sie wollen hier Herren sein; so hatten sie sich einfach geholfen, indem sie die Eingeborenen wie Hasen einfingen und sie dann unter der Peitsche roboten ließen, bis sie zusammenbrachen; die Erde gehört ihnen, argumentieren sie, mit allem, was darüber und darunter ist, also auch alle diese zweibeinigen braunen Tiere, gleichgültig ob sie bei der Arbeit verrecken oder nicht; für jeden Toten holt man sich in der munteren »cac̣a ao branco« [»Jagd der Weißen«] ein Schock neuer ein und hat dazu noch einen sportlichen Spaß.
    Gegen diese bequeme Auffassung greifen nun die Jesuiten energisch ein, denn die Versklavung und Entvölkerung des Landes geht schroff ihrem weitreichenden und wohldurchdachten Plan zuwider. Sie können es nicht dulden, daß die Kolonisten die Eingeborenen zu Arbeitstieren herabdrücken, weil sie sich es doch gerade als die wesentlichste Aufgabe gesetzt haben, diese Unbelehrten dem Glauben, der Erde und der Zukunft zu gewinnen. Jeder freie Eingeborene bedeutet für sie ein notwendiges Objekt der Besiedlung und Zivilisierung. Während es bislang im Interesse der Kolonisten lag, die einzelnen Stämme zu fortwährenden Kriegen gegeneinander zu hetzen, damit sie einander rascher ausrotteten und man außerdem nach jedem Kriegszug die erbeuteten Gefangenen als billige Ware kaufen könnte, suchen die Jesuiten die Stämme untereinander zu versöhnen und in dem gewaltigen Raume durch Ansiedlung zu isolieren. Der Eingeborene stellt für sie als künftiger Brasilianer und gewonnener Christ die vielleicht kostbarste Substanz dieser Erde dar, wichtiger als das Zuckerrohr, das Brasilholz und der Tabak, um derentwillen sie geknechtet und ausgerottet werden sollen. Als die wesentliche, die gottgewollte Nahrung wollen sie diese noch ungeformten Menschen in die Scholle einsetzen, ebenso wie die fremden Früchte und Pflanzen, die sie von Europa mitgebracht haben, statt sie verkümmern und weiter verwildern zu lassen. Ausdrücklich haben sie sich darum vom König die Freiheit der Eingeborenen ausbedungen, in ihrem Plan soll es im künftigen Brasilien nicht eine Herrennation von Weißen und eine Sklavennation von Farbigen geben, sondern nur ein einheitliches, freies Volk auf freier Erde.
    Freilich, selbst ein königlicher Brief und Auftrag verliert dreitausend Meilen weit viel von seiner gebieterischen Kraft, und ein Dutzend Priester, von denen die Hälfte immer auf ruhelosen Missionsfahrten das Land durchwandert, sind zu schwach gegen den selbstsüchtigen Willen der Kolonie. Um wenigstens einen Teil der Eingeborenen zu retten, müssen die Jesuiten in der Sklavenfrage paktieren. Sie müssen die angeblich im »gerechten« Kriege, das heißt im Verteidigungskriege gegen die Eingeborenen gemachten Gefangenen den Kolonisten als Sklaven konzedieren, und selbstverständlich findet diese Verklausulierung die allerbiegsamste und unkontrollierbarste Auslegung. Außerdem sind sie genötigt, um nicht beschuldigt zu werden, das rasche Fortschreiten der Kolonie zu verunmöglichen, den Import afrikanischer Neger zu befürworten; selbst diese geistig hochstehenden und human gesinnten Männer können sich nicht der Anschauung der Zeit entziehen, für die der Negersklave ein ebenso selbstverständlicher Handelsartikel ist wie Wolle oder Holz. In jenen Jahren beherbergt Lissabon, die europäische Hauptstadt, schon zehntausend schwarze Sklaven; wie sie dann dem Kolonialland verweigern? Sogar die Jesuiten selbst sind genötigt, sich Neger anzuschaffen; mit voller Gleichmütigkeit berichtet in einem Atemzug Nóbrega, er habe drei Sklaven und einige Kühe angeschafft für sein Kollegium. Aber an dem Prinzip, daß die Eingeborenen Brasiliens nicht Freiwild jedes hergelaufenen Abenteurers sind, halten die Jesuiten unbeugsam fest; sie schützen jeden ihrer Täuflinge, und die ethische Unbeugsamkeit, mit der sie

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