Taran Bd 1 - Das Buch der Drei
Der Hilfsschweinehirt
aran hätte lieber ein Schwert geschmiedet; doch Coll, der mit der praktischen Seite seiner Erziehung betraut war, bestand auf Hufeisen. Den ganzen Morgen lang nichts als Hufeisen! Tarans Arm schmerzte, sein Gesicht war von Ruß geschwärzt. Schließlich ließ er den Hammer sinken und wandte sich an Coll, der ihn spöttisch musterte.
»Warum?«, rief Taran. »Warum ausgerechnet Hufeisen? Wo wir doch keine Pferde haben in Caer Dallben!«
Coll war ein kräftiger, etwas rundlicher Mann, sein mächtiger Kahlkopf glänzte wie eine Speckschwarte. »Ein Glück für die Pferde«, war alles, was er nach einem flüchtigen Blick auf Tarans Arbeit sagte.
»Mit einem Schwert käme ich besser hin«, entgegnete der Junge. »Glaub mir, das könnte ich!« Ehe Coll imstand war, etwas zu antworten, ergriff er die Zange, warf ein rot glühendes Stück Eisen auf den Amboss und begann wild drauflos zu hämmern.
»Warte, warte!«, schrie Coll. »So geht das nicht!«
Ohne auf ihn zu hören – er hätte ihn bei dem Lärm ohnehin nicht verstanden –, hämmerte Taran weiter so schnell er konnte. Funken sprühten nach allen Seiten. Je länger er hämmerte, desto ärger verrenkte und krümmte sich das Metall. Schließlich sprang es ihm aus der Zange und fiel zu Boden. Bestürzt starrte Taran es an. Dann fasste er das verbogene Eisenstück mit der Zange und hob es auf.
»Nicht gerade ein Heldenschwert«, meinte Coll.
»Es ist hin«, musste ihm Taran verdrossen beipflichten.
»Weil du es falsch machst«, sagte Coll. »So musst du die Zange halten! Wenn du zuschlägst, muss alle Kraft aus der Schulter kommen. Das Handgelenk muss ganz locker sein. Wenn du’s richtig machst, hört es sich an wie Musik. – Übrigens ist das kein Metall, um Waffen daraus zu schmieden.«
Coll beförderte die krumme, missgestaltete Klinge zurück in den Schmelzofen.
»Ich wünschte, ich hätte mein eigenes Schwert – und du würdest mich lehren damit umzugehen!«, seufzte Taran.
»Ach was!«, rief Coll. »Wozu soll das gut sein? Es gibt keine Schlachten zu schlagen in Caer Dallben.«
»Es gibt ja auch keine Pferde hier«, wandte Taran ein. »Und dennoch schmieden wir Hufeisen.«
»Mach weiter!«, sagte Coll ungerührt. »Übung muss sein!«
Aber Taran ließ nicht locker. »Komm, lehr mich den Schwertkampf!«, bat er den Alten. »Oder verstehst du dich etwa nicht darauf?«
Colls Gesicht glühte auf, ein Lächeln huschte um seine Mundwinkel. »Gewiss doch«, sagte er ruhig. »Zu meiner Zeit habe ich ein- oder zweimal ein Schwert in der Hand gehalten.«
»Dann aber los!«, drängte Taran. Er packte ein Schüreisen, schwang es durch die Luft, tanzte auf dem festgestampften Lehmboden vor und zurück. »Sieh nur!«, schrie er, »das meiste kann ich schon!«
»Halt ein!«, rief Coll lachend. »Du mit deinem Hüpfen und Springen! Wenn du so auf mich losgehst, hacke ich dich in Stücke wie nichts. – Da schau her! Zumindest solltest du wissen, dass es eine richtige und eine falsche Art gibt, mit dem Schwert umzugehen.«
Er schnappte sich einen anderen Schürhaken. »Los jetzt!«, befahl er dem Jungen. »Steh deinen Mann!«
Taran hob den Schürhaken. Während Coll ihm seine Anweisungen zurief, begannen sie mit großem Getöse zu fechten. Im Augenblick glaubte Taran allen Ernstes Coll überlegen zu sein; aber der alte Mann wich seinen Hieben mit erstaunlicher Gewandtheit aus. Gleich darauf war es Taran, der sich verzweifelt seiner Haut wehren musste. Doch plötzlich brach Coll den Kampf ab. Auch Taran erstarrte, den Schürhaken in die Luft gereckt. Im Türrahmen war eine hohe, ein wenig vornübergebeugte Gestalt erschienen. Dallben.
Der Herr auf Caer Dallben war dreihundertneunundsiebzig Jahre alt. Ein mächtiger Bart bedeckte den größten Teil seines Gesichtes, was ihm den Anschein gab, als blicke er ständig über eine graue Wolke hinweg. Während Taran und Coll auf dem kleinen Gehöft das Pflügen, Säen, Jäten, Ernten und die gesamte übrige Bauernarbeit besorgten, widmete Dallben sich ausschließlich der Versenkung in die Geheimen Wissenschaften – einer Beschäftigung, die so anstrengend war, dass er sie nur auszuüben vermochte, indem er sich dabei auf den Rücken legte und die Augen schloss. Nach dem Frühstück pflegte er anderthalb Stunden lang allein seinen Betrachtungen zu obliegen, und später am Tage ein zweites Mal. Das Gepolter in der Schmiede hatte ihn jäh aus seiner morgendlichen Versunkenheit gerissen, man sah
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