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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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dulden, bald in bestem Einvernehmen mit den Eingeborenen, mit denen sie regen Handel treiben; von nun ab pendeln, als wäre es ihr rechtmäßiger Hafen, französische Schiffe regelmäßig zwischen dieser von Frankreich noch nicht offiziell anerkannten Siedlung und dem Heimatland hin und her.
    Dem portugiesischen Gouverneur in Bahia kann dieser Einbruch keineswegs gleichgültig bleiben. Nach dem damals gültigen Rechtsprinzip sind die brasilianischen Küsten ein mare clausum [ein für die Schiffahrt geschlossenes Meer], an dessen Küsten fremde Schiffe weder landen noch Handel treiben dürfen; gar eine Festung mit fremdem Militär im besten Hafen der Kolonie anzulegen bedeutet die Trennung von Süden und Norden und damit die Vernichtung der Einheit Brasiliens. Die natürlichste Aufgabe des Gouverneurs de Souza wäre, diese fremden Schiffe zu kapern und die Niederlassung zu schleifen, aber er besitzt keinerlei Macht zu einer kriegerischen Unternehmung solchen Umfangs. Die paar hundert Soldaten, die zugleich mit ihm nach Brasilien gekommen waren, sind unterdes längst Landwirte oder Plantagenbesitzer geworden und wenig geneigt, nach ihren bequemen Jahren den Harnisch wieder anzulegen; noch fehlt dem jungen Gebilde jedes Nationalgefühl, jeder Gemeinschaftsgedanke, in Portugal wiederum die richtige Erkenntnis der Gefahr und wie immer das notwendige Geld für eine rasche Expedition. Noch immer ist der Krone das Aschenbrödel Brasilien nicht wichtig genug, um eine kostspielige Flotte auszurüsten. So bleibt den Franzosen reichlich Zeit, sich ständig zu verstärken und zu verschanzen; erst wie ein neuer Gouverneur, Mem de Sá 1557 nach Bahia gesandt wird, beginnt die Vorbereitung einer Aktion gegen die Eindringlinge. Mem de Sá schenkt Nóbrega rückhaltloses Vertrauen und unterwirft sich völlig seiner geistigen Autorität. Und Nóbrega ist es wiederum, der mit seiner ganzen leidenschaftlichen Energie ein rechtzeitiges Vorgehen gegen die Franzosen fordert. Die Jesuiten kennen besser das Land und sind mehr um seine Zukunft besorgt als die Kaufleute in Lissabon, die Länder einzig nach dem momentanen Ertrag ihrer Spezereien bewerten; sie wissen, daß, wenn diese französischen Hugenotten an der brasilianischen Küste dauernd Fuß fassen können, nicht nur die Einheit des Landes, sondern auch die Einheit der Religion für immer zerstört ist. Brief auf Brief senden abwechselnd der Gouverneur und Nóbrega nach Portugal hinüber, um zu fordern, daß man »fac̣a socorrer a esse pobre Brasil« [daß man diesem armen Brasilien zu Hilfe komme]. Aber Portugal hat – ein anderer Atlas – eine ganze Welt auf seinen schwachen Schultern zu tragen, und es dauert noch abermals zwei Jahre, bis 1559 endlich ein paar Schiffe von Lissabon herüberkommen und Mem de Sá an eine kriegerische Aktion gegen die Eindringlinge denken kann.
    Der eigentliche Leiter der Expedition ist Nóbrega, der gemeinsam mit Anchieta von seinen Täuflingen möglichst viele herangeholt hat, um die schwache portugiesische Truppe zu verstärken. Zugleich mit dem Gouverneur erscheint er am 18. Februar 1560 vor Rio, und sobald am 15. März von São Vincente die rasch zusammengelesenen Hilfstruppen eintreffen, beginnt der Sturm auf die Festung Villegaignons. Vom heutigen Horizont aus gesehen, ist diese bedeutsame Aktion freilich nur eine Art Frosch- und Mäusekrieg. Hundertzwanzig Portugiesen und hundertvierzig Eingeborene stürmen das Fort Coligny, das von vierundsiebzig Franzosen und einigen Sklaven verteidigt wird. Die Franzosen können nicht standhalten und flüchten rechtzeitig auf das Festland hinüber zu den befreundeten Eingeborenen, um sich auf dem Morro do Castelo neu zu verschanzen. Für die Portugiesen ist es ein Sieg, weil das Fort Coligny, die Zwingburg, eingenommen ist; ohne die Franzosen zu verfolgen oder zu vernichten, kehren sie wieder nach Bahia und São Vincente zurück.
    Aber es ist nur ein halber Sieg, denn die Franzosen bleiben im Lande. Im ganzen sind sie etwa einen Kilometer zurückgeworfen, also eine Strecke, die man heute im Automobil in fünf Minuten durchfährt. Sie sitzen ungehindert im Hafen wie zuvor, treiben weiter ihren Handel, laden Schiffe ein und aus, bauen am Morro do Castelo eine neue Festung statt der alten, sie reizen sogar die Tamoios, die ihnen befreundeten Eingeborenen zu Unternehmungen gegen die Portugiesen, und der erste Angriff auf São Paulo durch Angehörige dieses Stammes war wahrscheinlich von ihnen organisiert.

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