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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Jahr verändern, dieser goldene Schimmer durchleuchtet die Zeit.

Spazieren durch die Stadt
    Jeder Weg beginnt hier an der Avenida Rio Branco. Sie ist – oder vielmehr, sie war – der Stolz der Stadt. Vor etwa vierzig Jahren kam der Ehrgeiz über Rio, es den europäischen Großstädten gleichzutun und einen Boulevard, eine repräsentative Hauptstraße im Herzen der Stadt zu haben. Und da sie wie alle Städte des Südens davon träumte, ein Paris zu werden, verlockte das Vorbild des Boulevard Haussmann, den der große Präfekt mit kühmen, breitem Strich geometrisch gerade durch das frühere Gewirr verschachtelter alter Gassen gezogen, zur Nachahmung. Der Plan dieser Prunkavenida aber glaubte schon verwegen zu sein, wenn er sich das Maß von den europäischen Boulevards borgte und die Straßenbreite mit dreiunddreißig Metern ansetzte. Die Brasilianer der älteren Generation, die bodenständigen »cariocos«, an ihre engen schattigen kolonialen Durchlässe gewöhnt, schüttelten zwar die Köpfe und erklärten diese übermäßige Breite als allzu verwegen. Aber der Plan setzte sich durch. Man stellte an den Eingang der Avenida ein prächtiges und sehr pariserisches Opernhaus, die Nationalbibliothek, das Museum, das damalige Luxushotel, um von vornherein die neue Straße als den geistigen und kulturellen Mittelpunkt zu kennzeichnen, man wagte sogar sechsstöckige Häuser, die hochmütig über die niederen Dächer der bisherigen Palácios und Palacetes herabblickten. Die breiten Trottoirs wurden mit schwarzweißem Mosaik auf das schönste geschmückt, die Fahrbahn asphaltiert, die Geschäftshäuser und Klubs beeilten sich, die breite schöne Front in der damals modernsten Architektur zu flankieren. Es wurde in der Tat eine prächtige Straße, und mit Stolz konnten die Brasilianer sich sagen, daß sie den berühmten Boulevards Europas würdig an die Seite zu stellen sei.
    Aber es erweist sich in Amerika, diesem mit ganz anderer Vehemenz aufstrebenden Kontinent, immer als Fehler und verhängnisvolle Bescheidenheit, in europäischen Maßen zu denken und zu rechnen. Zeit und Raum haben jenseits des Ozeans ein anderes dynamisches Maß. Hier entwickeln sich alle Dinge geschwinder, um freilich auch rascher zu veralten. Und so ist durch das tropische Wachstum Rios und den phantastisch sich entwickelnden Verkehr schon heute die Avenida Rio Branco längst zu eng, zu schmal geworden, ständig verstopft durch die Prozession der Autos, die nur im Schritt sich vorwärtsbewegen können, donnernd von Lärm, überfüllt von Menschen und überdies noch rechts und links zurückgepreßt in ihrem Strombett durch die vorgeschobenen Planken der ständigen Umbauten. Denn schon scheinen die Prachtbauten von 1910 hier nicht mehr prächtig und verwegen genug, das Luxushotel von einst ist bereits zum Abbruch verurteilt, und an seiner Stelle soll ein zweiunddreißig Stock hoher Bau errichtet werden, die sechsstöckigen Häuser setzen entweder neue Stockwerke auf oder werden völlig umgestaltet; was vor dreißig Jahren mächtig und sogar monströs erschienen, wirkt heute klein und im Stil antiquiert und altmodisch. Die Oper, ganz in den Schatten gedrängt, kann ihre Proportionen nicht mehr entfalten, das Kunstmuseum und die Bibliothek haben ihre Superiorität verloren, und wie bei den Pariser Innenboulevards, der Berliner Friedrichstraße, der Londoner Regent Street beginnen die Luxusgeschäfte vor dieser wilden Betriebsamkeit sich in stillere Nebengassen zurückzuziehen. Die Prunkstraße ist heute nicht viel mehr als die obligate Verkehrsstraße und Durchgangsstraße ohne besonderes Cachet [Gepräge] und ohne künstlerische Persönlichkeit; gerade was ihr als Charakter zugedacht war, die Vornehmheit, ist verloren, weil sie heute einzig der Zeit zu dienen sucht und ihr doch nicht mehr genügt.
    Um ihren immer mächtigeren Rhythmus voll entfalten zu können, brauchte die Stadt darum neue und breitere Boulevards außer diesem einen, und sie schafft sie sich in ihrer ständigen Atemnot mit entschlossener Kraft. Rechts und links – die Pläne sind wirklich grandios in ihrer Verwegenheit – stößt sich Rio von innen heraus immer neue Avenuen frei, ganze Häuserblöcke wegfegend, wie eine vorwärtsrasende Lokomotive ein papiernes Blatt. Hügel werden abgetragen, ganze Karrees von Häusern der Spitzhacke ausgeliefert, Felsen mit Tunneln durchbohrt, die Berge empor in zementenen Serpentinen breite Verbindungen gebahnt. Rechtzeitig hat hier eine

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