Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
für Sie und gratuliere Ihnen aus vollstem Herzen. Meiner Meinung nach ist es wohlverdient.
Wie Sie aus dem Poststempel sehen, bin ich zur Zeit in Paris. Hätten Sie nicht auch Lust, herzukommen?
In diesem Fall könnte ich Ihnen einen Vorschlag machen, der sich zufällig gestern abend bei einem Gespräch mit einem französischen Kollegen ergab! Hätten Sie wohl Interesse daran, umsonst ein altmodisches, putziges kleines Haus zu übernehmen? Es liegt in der Vorstadt Colombes und ist vom Bahnhof St-Lazare zu erreichen. Das Haus ist vollständig möbliert mit Kücheneinrichtung und Bettwäsche. Es ist nur eine einzige Bedingung bei der Sache. Die Eigentümer, mein Kollege und seine Frau, hinterlassen zwei hochprämiierte siamesische Katzen. Derjenige, der das Haus übernimmt, muß sich verpflichten, diese Lieblinge voll zu verpflegen und zu betreuen. Er muß auch im Haus bleiben, kann also niemals übers Wochenende wegfahren. Selbstverständlich könnten Sie von früh bis abends weg sein, aber auch nicht länger. Erstens sind es die Tiere, um die meine Freunde bangen; in zweiter Linie ist es das Haus. Sie wären sehr froh, wenn sie während der drei Monate, die sie nach Amerika reisen, zuverlässige Menschen in ihrem Hause wüßten. Wenn sie darin und in der Tierpflege sicher sind, stellen sie mehr als gern ihr Haus zur Verfügung. Ich lege eine kleine Karte des Hauseigentümers M. Aubel bei. Schreiben Sie direkt an ihn! Seine Frau ist Dänin, er selbst versteht auch Dänisch. Ich bleibe noch eine Zeitlang in Paris und hoffe, daß wir uns hier treffen werden, ehe die Pflicht mich wieder nach Kopenhagen zurückruft. Es würde mich freuen, wenn aus dem Plan etwas würde. Die Mieten in Paris sind schwindelnd hoch. Ob Sie allein für sich sorgen können, weiß ich nicht. Hauptsache ist, daß Sie zwei siamesische Katzen versorgen können. Grüßen Sie Ihre kleine mißhandelte Tochter. Inzwischen ist sie wohl eine junge Dame geworden. Vielleicht kann sie Sie begleiten und sowohl Sie als auch die Katzen betreuen? Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören. Mit den besten Grüßen Ihr Torvald Ahlsen.“
Ich schaute auf.
Vatis und meine Augen begegneten sich.
Und dann sprach Vati die schönsten Worte, die ich in meinem Leben gehört hatte. Oh, wie segnete ich die Prügel von damals! Ohne die hätten wir Redakteur Ahlsen nicht kennengelernt, ohne die hätte Vati dieses Angebot nicht gekriegt, ohne die hätte er jetzt nicht die märchenhaft schönen Worte gesagt:
„Ja, was meinst du, Britta? Du traust dir doch zu, zwei Siamkatzen zu betreuen?“
Hier muß ich eine Pause in meinem Bericht machen, denn ich habe keine Ahnung von dem, was in den nächsten Minuten gesprochen wurde. Es muß ziemlich laut zugegangen sein; denn zwei Türen flogen krachend auf und zu, und Omi und Tante Birgit erschienen. jede aus einer anderen Tür.
„Gott, was ist denn los, Britta?! Was ist geschehen? Ist jemand gestorben, Benno? Benno, du hast sie doch nicht geschlagen?“
Also hatte ich geschrien.
Jetzt hing ich an Vatis Hals, strampelte mit den Beinen, lachte und weinte durcheinander, ich glaube beinahe, daß ich vor Freude heulte.
„Die Kleine ist in Ordnung“, lachte Vati. „Sie hat nur einen akuten Wahnsinnsanfall.“
Dann ließ ich Vatis Hals los und lachte Omi und Tante Birgit an. „Ich fahre nach Paris! Ich fahre mit Vati nach Paris!“
Omi sank ermattet auf einen Stuhl. „Benno, du bist verrückt! Britta nach Paris.“
„Natürlich, sie soll mir das Haus führen!“ Nun mußte auch Tante Birgit sich setzen.
„Britta das Haus führen! Soll sie etwa auch kochen?“
„Natürlich soll sie das, ein sechzehnjähriges Mädel müßte das ja können!“
„Müßte es können!“ sagte Omi.
„Und sie versteht kein Wort Französisch“, stöhnte Tante Birgit. „Ist mir ganz schnuppe“, sagte Vati, „ich verstehe es.“
„Du? Kannst du Französisch?“
„Klar, ich hab doch Abitur gemacht.“
„Ja, vor fünfundzwanzig Jahren.“
Vati legte den Arm um mich. „Hast du schon mal solche Pessimisten gehört, Britta? Glaubst du nicht, daß wir es großartig in Paris haben werden? Du und ich und die Katzen?“
„O Vati, für die Möglichkeit, nach Paris zu kommen, würde ich sogar zwei Krokodile betreuen.“
Omi schrie auf. „Wie? Was? Britta, was sagst du da? Du sollst Krokodile pflegen? Was hast du schon wieder ausgeheckt, Benno? Werdet ihr bei einem Zoodirektor wohnen?“
Dann lachten wir so laut, daß man uns bestimmt von
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