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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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egal! Ich meine nur, ich wurde vor einem halben Jahr in Deutschland als Fliegeraspirant getestet, verstehst du, denn es hat ja überhaupt keinen Sinn, sich als Pilot ausbilden zu lassen, wenn man an Höhenkrankheit leidet, oder keinen Sauerstoff aus dem Sauerstoffbehälter einatmen kann, oder wenn einem schwindlig wird. All diese Teste gingen gut aus, und nun soll ich nach Bremen und dort alle meine Trinkgelder aufbrauchen.“
    „Und auf Weihnachtsbesuch auf den Seehundsrücken kommen“, rief ich. „Ach, Pierre, wenn du wüßtest, wie glücklich ich bin.“
    „Das weiß ich ganz genau, denn ich bin es auch. Britta, wir müssen nachher weiterplaudern. Ich muß das Trinkgeldlächeln anlegen. Vergiß nicht, daß ich jetzt das Geld für die Fahrkarte von Bremen nach dem Seehundsrücken verdienen muß. Und du wirst dich nicht im Pantheon vergraben. Punkt drei bist du hier bei mir!“ Etwas später wanderte ich in der Kühle und Stille des Pantheons umher.
    Auf diese Idee hatte mich Pierre gebracht. Nachdem ich drei oder vier Rundfahrten mitgemacht und alles über Paris’ Sehenswürdigkeiten hatte übersetzen müssen, hatte ich selbst ja auch viel gelernt. Es ging nur alles viel zu schnell. Ich wäre gern länger an jeder Stelle geblieben, wäre so gern in die Museen, in die Kirchen gegangen, an denen wir vorbeifuhren. „Tue es doch“, hatte Pierre gesagt. „Während ich mit der Herde unterwegs bin, kannst du ja in aller Ruhe herumlaufen und dir alles ansehen, wozu du Lust hast; du kommst zurück, wenn ich Pause habe. So hast du wirklich deine Tage vernünftig ausgenutzt.“
    Ja, jetzt lernte ich Paris kennen! Nur einen Punkt jeden Tag, aber diesen einen gründlich. Ich entdeckte, wie gut es war, allein zu gehen, eine halbe Stunde mucksmäuschenstill dazustehen vor einem Kunstwerk, das mich interessierte, ohne daß jemand mich weiterzerrte. Oder an etwas vorbeigehen zu können, was mich nicht interessierte.
    Tags zuvor war ich im Invalidendom. Als Pierre mich fragte, wie er mir gefallen hätte, antwortete ich ehrlich, daß Napoleons Sarg wie eine überdimensionale rote Saucière aussah. Pierre schnappte nach Luft vor Schreck.
    „Wenn du es wagsu, beim Übersetzen so etwas zu sagen.“
    „Bist du verrückt? Denk an das Trinkgeld!“ lachte ich.
    „Saucière!“ wiederholte er. „Saucière! Und du willst die Tochter eines Künstlers sein?“
    „Gerade darum“, sagte ich. Dann mußte Pierre zu seinen Kunden, so vermied ich es, an den Haaren geziept zu werden.
    Hätte ich nicht die gesegneten Trinkgelder gehabt, so wäre ich weder in den Invalidendom noch anderswohin gekommen, wo es Geld kostete. Ich war in der Hauptsache in den Parks gewesen, hatte die Seinebrücken betrachtet, war bei dem Eiffelturm gewesen, ohne hinaufzufahren. Aber ab und zu hatte ich einen Trinkgeldfranc springen lassen.
    Nun war das anders. Ich hatte über vierhundert Francs in dem Brustbeutel und beinahe einhundert in der Geldbörse.
    Und Pierre würde nach Bremen fahren, Pierre sollte ganz in meine Nähe kommen, nur ein paar Stunden von mir entfernt. Er konnte übers Wochenende zu uns kommen, und ich war sicher, daß Vati und er einander sehr gut verstehen würden.
    Als ich aus dem Pantheon hinauskam, entdeckte ich zu meinem Entsetzen, daß ich kein Tüpfelchen mehr wußte, als vor einer Stunde beim Hineingehen.
    Dafür wußte ich etwas anderes. Etwas, das mir da drinnen, in der stillen, lautlosen Kühle, klargeworden war.
    Nämlich, daß Fräulein Britta Dieters sich brennend und unheilbar in den ehemaligen Eselsführer, derzeitigen Reiseführer und Nachtportier, künftigen Piloten Pierre Henriques verliebt hatte.
    Ich schrieb Karten an Vati, Ellen und Tante Edda. Sie sollten sich meinetwegen nicht ängstigen. Die drei Menschen, die ich so liebhatte, sollten sich um mich keine Sorgen machen.
    Dann kam ich eines Morgens wie gewöhnlich zum Reisebüro. Ein großer, leerer Raum war dort, wo „unser“ Bus immer stand. Neben dem leeren Raum wartete Pierre und lächelte von einem Ohr zum anderen.
    „Nanu?“ sagte ich.
    „Kaputt!“ strahlte Pierre. „Der gesegnete Motor bekam gestern Keuchhusten, heute ist er beim Arzt und kriegt eine Spritze; bestenfalls ist er heute abend erst spät wieder in Ordnung. Wir sind frei, Britta! Wir haben einen ganzen freien Tag! Nun mach schnell, wir haben es eilig, denk daran, daß ich um zwanzig Uhr zu meinem Job muß, wenn auch die Trinkgelder erst gegen Mitternacht zu rollen anfangen. Um halb zehn

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