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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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junge Menschen, die zielbewußt sind. Der Bursche scheut keine Arbeit, um seine Zukunftspläne durchzuführen. Wenn ich ihm helfen kann, so will ich das gern tun.“
    „Dein Vater ist einfach großartig“, sagte Pierre, „weißt du, daß du ihm ähnlich siehst? Du hast den gleichen Schimmer in deinen Augen und das gleiche fröhliche Lächeln. Ich mag ihn furchtbar gern.“
    Dann erinnere ich mich eines Nachmittags im Juni. Vati war nach Colombes zurückgekommen, um seine Sachen zu packen und zu ordnen. Anschließend wollten wir zusammen nach Südfrankreich.
    Wir fuhren mit der Metro zu einer bestimmten Haltestelle. Ich hatte eine große Tasche bei mir und flehte alle guten Geister an, daß wir den fänden, nach dem ich suchte.
    Die guten Geister erhörten mich. Er war da. Ein bißchen schmutziger noch als das letzte Mal, ein bißchen aufgeschwollener im Gesicht, die Kleider noch etwas zerlumpter. Er lag auf einer der harten, schmalen Bänke und schlief, eine Rolle Zeitungen unter dem Kopf.
    Ich schüttelte ihn vorsichtig. Er öffnete einen Spalt seine Augen, sah mich an, schüttelte den Kopf und wollte die Augen wieder schließen, aber ich schüttelte ihn kräftiger, bis er die Augen ganz öffnete.
    „Schau her“, murmelte er, „jetzt ist es also geschehen.“
    „Was ist geschehen?“ fragte ich.
    „Jetzt hat er mich eingeholt. Der mit der Sense. Aber ich hätte mir nicht gedacht, daß ich im Himmel aufwachen würde.“
    „Sie sind doch nicht im Himmel, Monsieur.“
    „Doch“, sagte er, und als er sprach, stieg ein Duft von altem Alkohol auf zu mir. Er hatte offensichtlich einen Riesenkater. „Wenn ein goldhaariger Engel sich über mich beugt und mir zulächelt, dann ist das mit dem Himmel die einzige Erklärung.“
    „Monsieur, kennen Sie mich nicht wieder? Haben Sie die Kastanien vergessen, die Sie mit mir teilten?“
    Nun erhob er sich auf seinen Ellbogen, schaute mich näher an, und allmählich arbeitete er sich mit Gestöhn und lautem Pusten in eine sitzende Stellung empor.
    „Mademoiselle! Mademoiselle Sonnenstrahl! Haben Sie sich wirklich an mich erinnert, Goldköpfchen?“
    „Das habe ich! Ich erinnere mich an Ihre Lebensphilosophie, Sie erklärten mir, daß die ganze Welt Ihnen gehöre, erinnern Sie sich? Jetzt gehört auch mir die ganze Welt, und etwas aus dieser Welt habe ich Ihnen mitgebracht, bitte schön.“
    Ich nahm die Champagnerflasche aus meiner Tasche. Er blieb mit halboffenem zahnlosem Mund mit der Flasche in seinen Händen sitzen, hob sie auf und sah sie an.
    „Mademoiselle,------vraiment? pour moi?“
    „Ja“, sagte ich, „als Dank.“
    Er war sprachlos. Er sah mich aus seinen rotumrandeten Augen an, wollte mir die Hand reichen, hielt aber auf halbem Wege inne, betrachtete seine schmutzigen Pfoten und schüttelte den Kopf. Dann beugte er sich über mich, ergriff meinen Rocksaum und küßte ihn.
    Ich bin nie in meinem Leben so verlegen gewesen!
    Vati hatte ein paar Meter entfernt von uns gestanden. Jetzt kam er näher.
    Kurz danach saß mein Clochard auf einer Bank im Park. Er hatte ruckzuck die Flasche entkorkt, und nun trank er, konzentriert und selig.
    Vati zeichnete, daß es rauchte. eine schnelle Skizze nach der anderen. Die eine hat er inzwischen in Öl ausgeführt, sie hängt an der Wand in meinem Zimmer, und ich liebe sie.
    Aber es gibt ein zweites Bild, das ich noch mehr liebe: Als Vati in seiner überströmenden Dankbarkeit mir etwas kaufen wollte, erzählte ich ihm, daß ich nur einen Wunsch hätte: Ob er nach
    Versailles fahren wollte und ein paar Skizzen von Petit Trianon machen?
    Vati sah mich an.
    „Bist du in Versailles gewesen?“
    „Ja“, sagte ich.
    „Mit Pierre?“
    „Ja.“
    „Ihr wart im Petit Trianon?“
    „Ja“, flüsterte ich, und fühlte, daß meine Gesichtsfarbe sich bedeutend in Richtung Hummerfarbe veränderte.
    „Aha“, sagte Vati.
    Es sah aus, als ob er noch mehr sagen wollte, aber er besann sich eines anderen.
    Ich bekam mein Bild von Petit Trianon; es ist eines der besten, die er gemalt hat. Finde ich.
    Der Abschied von Rajah und Bajadere tat beinahe weh. Wir hatten gute und böse Tage miteinander erlebt, und zwei Tage vor Aubels Heimkehr machte ein Ereignis die Trennung noch schwerer.
    Eines Morgens lag nämlich Bajadere schnurrend und glücklich in ihrem Korb mit zwei kleinen, blinden schneeweißen Jungen. Und ich hatte keine Ahnung gehabt, daß sie Familienzuwachs erwartete! Rajah stand neben ihr und leckte eines der Jungen; es war

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