Braut wider Willen
wolltest du zu nachtschlafender Zeit, ohne ein einziges Wort zu einer Menschenseele, einfach verschwinden – oder ist Olivia eingeweiht?« Sein Ton wurde schärfer.
»Olivia weiß gar nichts, Mylord«, erklärte Phoebe. »Sie trifft keine Schuld.«
Olivias Vater nickte. »Und nun eine Erklärung, wenn ich bitten darf.«
Wie kam es, dass er so ahnungslos war? Und wie kam es, dass sie sich zu diesem Mann dermaßen hingezogen fühlte … ihn so anziehend fand … da sie für ihn doch nicht bedeutsamer war als eine Ameise … nichts weiter als ein geeignetes Mittel zu einem bestimmten Zweck. In den zwei Jahren, seit sie in seinem Haus lebte, hatte er sie nicht ein einziges Mal richtig angesehen. Sie war sicher, dass der Heiratsplan von ihrem Vater ausgegangen war und dass Cato den Vorteil der Verbindung eingesehen hatte.
Sein Frau Diana, Phoebes Schwester, war acht Monate zuvor verstorben. Nun war es allgemein Sitte, dass ein Witwer seine Schwägerin ehelichte, damit die Mitgift in der Familie blieb und auch die Familienbande bestehen blieben. Natürlich war es zu Catos Vorteil. Natürlich war er einverstanden.
Phoebe zu befragen, hatte man nicht für nötig befunden. Eine Werbung hatte es nicht einmal andeutungsweise gegeben.
Cato sah sie noch immer finster an. Zerstreut registrierte er, dass ihre Jacke nicht richtig zugeknöpft war, als hätte sie sich in aller Eile im Dunkeln angezogen. Ihr dichtes, helles Haar, das sie zu einem lockeren Knoten auf dem Hinterkopf zusammengefasst trug, machte sich nach allen Richtungen selbstständig. Ihre Mantelschließe baumelte an einem einzigen Faden. Wie unordentlich sie ist, ging es ihm durch den Kopf. Er hatte es schon des Öfteren bemerkt, und jetzt fiel ihm ein, dass Diana ständig darüber Klage geführt hatte.
»Phoebe …«, drängte er mit einem Anflug von Ungeduld.
Nach einem tiefen Atemzug sagte Phoebe hastig: »Ich möchte nicht heiraten, Sir. Ich habe es mir nie gewünscht, und ich werde nicht heiraten.«
Es sah aus, als hätte sie den Marquis zum Schweigen gebracht. Seine Stirnfurchen vertieften sich. Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurz geschnittenes Haar, vom spitzen Haaransatz bis in den Nacken. Es war eine Handbewegung, die Phoebe schmerzlich vertraut war. Anzeichen dafür, dass er tief in Gedanken war, von einem Detail in Anspruch genommen oder in die Planung einer Aktion versunken.
Cato drehte sich um und ging zu einem massiven Konsolentisch aus Mahagoni. Er schenkte Wein aus einer Silberkaraffe in einen Zinnbecher ein, trank nachdenklich einen Schluck und wandte sich dann wieder Phoebe zu.
»Erkläre mir eines: Möchtest du nur
mich
im Besonderen nicht heiraten, oder gilt deine Abneigung dem Ehestand im Allgemeinen?« Sein Ton verriet nicht mehr Gereiztheit, sondern nur noch Neugierde.
Wenn ich glaubte, es bestünde eine winzige Chance, dass du mir so viel Aufmerksamkeit schenkst wie deinen Pferden oder mich so interessant findest wie Politik und diesen verdammten Krieg, dann würde ich dich vermutlich auf der Stelle heiraten,
dachte Phoebe voller Bitterkeit. Alle ihre lautstark geäußerten Ansichten über die zahlreichen Nachteile der Ehe für eine intelligente Frau mit unabhängiger Denkweise wären verpufft, hätte der Marquis auch nur einen Funken menschliches Interesse an ihr gezeigt und sie nicht nur als Mittel zu einem einzigen Zweck gesehen. So aber …
Tonlos sagte sie: »Lord Granville, ich bin an einer Ehe nicht interessiert, da ich keinen Vorteil darin erkennen kann … zumindest nicht für mich.«
Es war eine so ungewöhnliche und lächerliche Äußerung, dass Cato auflachte. »Mein liebes Mädchen, ohne Ehemann kannst du nicht leben. Wer verschafft dir ein Dach über dem Kopf? Wer ernährt und kleidet dich?«
Das Lachen schwand aus seinem Blick, als er sah, dass sich ein eigensinniger Zug um ihren breiten, großzügigen Mund legte. Brüsk sagte er: »Ich bezweifle, dass dein Vater eine pflichtvergessene und undankbare Tochter weiterhin erhalten wird.«
»Würdet Ihr Olivia in einer solchen Situation nicht mehr erhalten?«, wollte Phoebe wissen.
»Darauf kommt es nicht an«, erwiderte Cato knapp.
Es kam darauf an, da Olivia noch weniger bereit war als Phoebe, sich dem Willen eines Ehemannes zu unterwerfen, doch hielt Phoebe ihren Mund. Es stand ihr nicht zu, etwas zu sagen.
»Anstatt als Marchioness of Granville ein behagliches und behütetes Leben zu führen, ziehst du es vor, in der Nacht zu fliehen, in einem vom Krieg
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