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Ihr versteht uns immer noch nicht. Über 50 Jahre nach Ausrufung eurer Unabhängigkeit haben wir nun ein Gleichgewicht der Kräfte erreicht. Eure F-16 gegen unsere Selbstmordattentäter. Ein Sieg ist für uns zu sehen, dass ihr leidet. Mehr wollen wir gar nicht. Wenn wir leiden – dann leidet auch ihr .«
Und das war es. Das war schon die ganze Wahrheit. Längst ging es nicht mehr um Sieg oder Niederlage, nur um Schmerz und Vergeltung. Wie oft haben wir zugeschlagen, weil man uns wehgetan hat, weil wir Rache wollten?
Und auf Rache folgt Rache.
Mission impossible.
Wir haben zugelassen, dass sich die Gewaltspirale schneller und schneller drehte im Glauben, sie dadurch anhalten zu können. Dass sie uns in Ruhe lassen würden, sobald ein gewisser Punkt der Abschreckung erreicht wäre, und vielleicht, bei aller Paradoxie, funktioniert das ja sogar –
Aber um welchen Preis?
Wofür kämpfen wir, Shana? Dafür, auf ewig im Zustand der Abschreckung zu verharren, derart geängstigt von Verrat, Vertrauensbruch, einer weiteren Shoa, dass wir den Frieden nicht wagen ? Was haben wir denn erreicht für Israels Sicherheit? Wurde die Hamas gemäßigter, nachdem wir ihre Köpfe getötet hatten? Schwor die Hisbollah dem Terror ab nach der Eliminierung ihrer Anführer? Im Iran habenwir einen neuen Erzfeind ausgemacht, Wahlpropaganda für die Hardliner. Bravo! Keinen Millimeter zu weichen, lautet jetzt die Prämisse, keine Zugeständnisse. Und dabei haben wir völlig den Anfang allen Leidens verdrängt – als aus einer Volksarmee, um Menschen zu schützen, eine Besatzungsarmee wurde, grausam, verroht und abgestumpft. Haben vor lauter Kraftproben verlernt, miteinander zu reden. Stattdessen lassen sich unsere Politiker zum willfährigen Instrument religiöser Fanatiker machen, die in ihrer Angst vor dem Frieden noch die letzte Grenze überschreiten.
Wir sehen unsere Gesellschaft zerbrechen.
Nicht an der Bedrohung von außen.
Wir sind grausam gegen uns selbst geworden, Shana. Wir nehmen Schaden an unserer Seele.
Der Tempelberganschlag ist gescheitert. Doch selbst wenn es gelingt, die Anstifter dingfest zu machen – was spielt es für eine Rolle, solange wir nicht den Geist von ’67 zurück in die Flasche zwingen? Seit wir beschlossen haben, über andere zu herrschen, wuchert ein Krebsgeschwür in uns, und was immer wir dagegen unternehmen, führt lediglich dazu, dass es überall Metastasen bildet. Wir sind Weltmeister in der Bekämpfung von Symptomen, aber wir versagen an den Ursachen.
Willkommen in der Paranoia.
Ein Volk, das sich im Bemühen, jeden potenziellen Feind zu überwachen, selbst überwacht, so wie es Jeschajahu Leibowitz, einer unserer großen Philosophen, vorausgesagt hat:
Ein Staat, der über eine feindliche Bevölkerung mit Millionen Fremden herrscht, wird notgedrungen zu einem Geheimdienststaat. Mit allen Folgen für die Erziehung, die Rede- und Meinungsfreiheit und die Demokratie. Die für jedes Kolonialsystem typische Korruption wird auch Israel erreichen. Die Verwaltung wird arabische Aufstandsbewegungen unterdrücken und sich arabische Günstlinge und Verräter heranziehen.
Und zuletzt wird der Staat die Gewalt gegen sich selbst lenken.
Wird es wieder ein Attentat geben?
Wenn wir beschließen, die Westbank zu räumen? Wird nach Rabin, nach Scharon wieder eine Hoffnung zerstört?
Cox atmet ruhig und gleichmäßig.
Du hast uns vor der Katastrophe gerettet, denkt Perlman.
Für den Moment.
Er nimmt ihre unbandagierte Hand in seine, behutsam, als könne sie zerbrechen. Hält sie eine Weile.
Steht auf. Zögert.
Beugt sich vor und küsst sie sacht auf die Stirn.
»Bis morgen, Shana.«
Geht.
Als er die Hand schon auf der Türklinke hat, hört er hinter sich ein leises »Fuck«.
Und seine Trübsal zersetzt sich wie Nebel im Sonnenlicht. Er dreht sich um, geht zurück an ihr Bett.
Fast tanzt er.
Fährt zurück ins Büro und hört sich beim Singen zu.
Was für ein schrecklicher Sänger er ist!
Er singt noch viel schrecklicher, als er pfeift, aber in seinem Wagen, solange niemand Maßstäbe anlegt, ist er der gottverdammte
PAVAROTTI !
Im Konferenzraum warten die Analysten mit neuesten Fakten zum Tempelberganschlag.
Ernüchternd wäre geschmeichelt.
Absalon Kahn behauptet, zu keiner Zeit Codes weitergegeben zu haben, und beschäftigt drei Anwälte. Deren Wirken zielt darauf ab, weder ihn noch seinen Vater in den Schatten eines Verdachts zu stellen. Und tatsächlich haben sie gegen den
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