Breaking News
hockt und für sich, Krister Björklund und Inga Dorn den Flug nachKabul bucht. Von dort soll es weitergehen ins Feldlager Kunduz, Reportage über den Alltag der Bundeswehr.
Ein Job, auf den er nicht die geringste Lust verspürt.
Für Inga mag es ja ganz erhellend sein. Ihr erster Aufenthalt in einer Krisenregion. Aber er? Was zum Teufel soll er da? Wenn nämlich die dortige Informationspolitik der Doktrin des Verteidigungsministeriums folgt, kann er ebenso gut in Hamburg bleiben und seine Reportage googeln. Ihm als Repräsentanten des schandmäuligen Enthüllungsjournalismus, so viel ist sicher, werden sie den Presseoffizier gleich auf den Leib schweißen.
Er liest die Meldung. Liest sie noch einmal.
Dann ruft er Bilal Husain an.
Ob er Näheres über die Sache mit den Verschwundenen in Erfahrung bringen kann.
Bilal Husain ist Hagens Fixer, wie es im Journalistenjargon so schön heißt, sein pakistanischer Kontaktmann. Afghanistans Zukunft wird im Nachbarland verhandelt, und niemand ist so gut verdrahtet wie Husain. Als Berichterstatter für Zeitungen wie The Statesman und Independent News Pakistan hat er Zugriff auf nahezu jede Information, vor allem aber genießt er das Vertrauen der Taliban. Über ihn lancieren sie ihre berüchtigten Videos an die Medien, in denen zum Heiligen Krieg aufgerufen wird oder leichenblasse Ausländer vor von Parolen durchhängenden Fahnen hocken. Alle paar Tage trifft sich Husain mit dem Sprecher der für Kunduz zuständigen Gruppe und verschafft seinen Anliegen Geltung. Im Gegenzug fordert er, dass die Taliban ihn als Vermittler akzeptieren, wenn Verhandlungen mit ausländischen Krisenstäben anstehen. Inzwischen eilt ihm der Ruf voraus, einen gewissen Einfluss auf die Gotteskrieger zu haben, außerdem ist er notorisch klamm.
Husain freut sich, von Hagen zu hören. Was der Job macht, wie es der Familie geht. Eine Ouvertüre an Umständlichkeiten, orientalisch gedrechselt. Hagen ist es recht. Wenn sein pakistanischer Freund ihm eine Story liefert, die ihn aus dem Sommerloch katapultiert, kann er ihm den Koran in Endlosschleife vorlesen.
Endlich sagt Husain: »Klar, Tom. Ich hör mich mal um.«
»Gut. Danke, Bilal.«
»Und du bist sicher, dass sie im Kunduz-Delta verschwunden sind?«
»Zumindest wurden sie da zuletzt gesehen.«
»Verwunderlich.«
»Warum?«
Ständig entführen die Taliban Menschen.
»Aber nicht so hoch im Norden«, sagt Husain, als sie sich zwei Wochen später im pakistanischen Peschawar treffen und aus der Juwelierstraße auf den Chowk Yadgar treten.
»Seltener«, räumt Hagen ein.
Natürlich hat der Fixer recht. Die Netzwerke professioneller Entführer wie Haqqani verfilzen sich weiter im Osten zwischen Khowst und Jalalabad, wo sich Afghanistan einbeult und pakistanisches Grenzland hereinwuchert. Auch im Süden werden Ausländer verschleppt. Im Norden buddeln sie eher IED s in den Sand und freuen sich wie die Kinder über jeden Soldaten, dem es die Beine wegreißt. Aber wer sagt, dass sie nicht auch da mit den Entführungen anfangen?
Husain schüttelt den Kopf. »Es passt nicht in ihre Strategie.«
»Hätte sich die geändert?«
»Sagen wir, sie schauen hin und lernen.«
»Von wem?«
»Ist das nicht offensichtlich?« Husain lächelt. »Von ihren Feinden natürlich.«
Die Sonne hat Peschawar seit den Morgenstunden gebacken. Jetzt, in der hereinbrechenden Dämmerung, steht die Hitze immer noch wie ein faulendes Gewässer in den Straßen und Plätzen der Altstadt. Jedes Sauerstoffatom scheint an eine Substanz gekoppelt, die beim Einatmen die Lebenserwartung herabsetzt. Der Smog der Zwei-Millionen-Metropole kann es mit Kuala Lumpur, Los Angeles und Peking locker aufnehmen.
»Das ISAF -Dezimierungsprogramm ist eine Sache«, sagt Husain. »Aber es bringt die Taliban auf Dauer nicht weiter.«
Hagen blickt sich um, während sie über den Platz schlendern. Der Chowk Yadgar macht einen heruntergekommenen Eindruck. Nur wenige Besucher schleichen um das berühmte Kuppelmonument herum, die Kameras halbherzig gezückt. Kaum ein Reiseveranstalter empfiehlt noch Trips in die Region, seit ein hochgiftiger Interessencocktail Anfang der Achtziger begonnen hat, den Tourismus nachhaltig zu zersetzen. Afghanische Mudschaheddin waren über die Grenze hierhergeflüchtet, um Kämpfer für ihre Sache zu rekrutieren und Strategien zu entwickeln, wie man der Roten Armee den Weg weisen könnte, in bestem Einvernehmen übrigens mit Onkel Sam. Der zeigte ihnen nicht
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