Breaking News
schon. Mut zur Hässlichkeit.«
Sie verzieht das Gesicht. Wurschtelt ihr Haar unter die Perücke, schiebt und zupft sie zurecht.
»Wie die hinterletzte Promenadenmischung.«
Kläfft in ihr Spiegelbild und muss lachen.
Es klingelt.
Sie starren sich an.
»Sollten wir abgeholt werden?«
»Nein. Das heißt –«
Wenn sich was ändert, wird Abu euch anrufen oder abholen.
Hagen geht zur Tür, betätigt die Gegensprechanlage. Im Fenster der Überwachungskamera wird ein Mann sichtbar. Der ausladende Schirm einer Baseballkappe verdeckt sein Gesicht.
»Ja?«
»Abu. Tom Hagen?«
»Ja.« Atmet auf.
»Es sind Schwierigkeiten aufgetreten. Nichts Ernstes. Das Boot legt wie vorgesehen ab, aber wir müssen kurz reden.«
»Okay.« Will den Türöffner drücken, fängt Yaels Blick auf.
Drückt ihn nicht.
Es sind die Begleitumstände, die unsere Erinnerung konservieren. Der Mann vor dem Haus könnte Französisch sprechen, Bantu, Altgriechisch, sein einschmeichelnder Bariton wird für alle Zeit in ihr nachschwingen – Und plötzlich enthüllt sich ihr Déjà-vu, und sie weiß, wen sie in Nablus gesehen hat. Im Atrium, aus einem der Rundbögen heraus. Radikal verändert, Vollglatze, kein Schnurrbart mehr und keine Brille, aber eine Verwechslung ist unmöglich.
Was ihre Augen nicht zuordnen konnten, besorgt seine Stimme.
Sie schüttelt den Kopf, wedelt mit den Händen.
»Nicht aufmachen.«
Hagens Finger schwebt über dem Türöffner.
»Das ist nicht Abu«, flüstert sie. »Das ist Schimon.«
Ein Sekundenbruchteil des Schocks. Dann setzt sein Verstand die Information in Handlung um.
»Abu? Eine Minute. Wir sind noch – äh – unbekleidet.«
»Beeilen Sie sich«, sagt der Mann vor der Tür. »Ich hab nicht viel Zeit.«
»Natürlich.«
Drückt Yael den Rucksack in beide Hände, geht an ihr vorbei zur Balkontür. Schiebt sie auf und wirft einen Blick nach unten. Der Eingang liegt um die Ecke. Die Straße ist leer. »Was hast du vor?«
»Zieh ihn über.«
Yael schlüpft in die Gurte, zurrt sie fest. Er nimmt die Waffe aus ihrer Tasche und hält sie ihr hin.
»Nein, ich –«
»Keine Diskussion.« Und weil sie immer noch nicht reagiert, steckter ihr das Ding kurzerhand in den Rucksack. »Sobald ich aufgedrückt habe, springst du. Zweieinhalb Meter, locker zu schaffen. Wir haben schon andere Kunststücke hingelegt. Lauf zur Marina.«
Ihre Augen weiten sich in plötzlichem Begreifen.
»Nein, Tom. Ich werde nicht ohne dich –«
»Yael!« Fasst sie bei den Schultern. »Er wusste, dass wir hier sind. Er weiß garantiert auch, wo das Boot liegt. Wir können nicht riskieren, dass er uns zur Marina folgt.«
»Aber –«
»Ich muss ihn aufhalten. Verschwinde.«
»Nein. Nein!« Sie klammert sich an ihn. »Bitte –«
Er löst sich von ihr. Es fällt unendlich schwer.
»In dem Rucksack ist deine Lebensversicherung. Mit den CD s kannst du den Schin Bet weichkochen.«
Yaels Augen füllen sich mit Tränen.
»Tom –«
»Ich komme nach.«
Schiebt sie hinaus auf den Balkon, läuft zurück zur Tür.
»Abu? Alles klar. Wollen Sie raufkommen?«
»Ja.«
»Okay. Ich lasse Sie rein.«
Yael schaut ihn an. Ihr Blick sagt alles, was bis jetzt ungesagt geblieben ist. Unten springt die Tür auf, er sieht den Mann aus dem Bild der Überwachungskamera verschwinden, hört seine Schritte im Flur.
Als er wieder zum Balkon blickt, ist Yael verschwunden.
Ohne Eile steigt Dreyfus die Stufen hinauf. Schon einmal hat er Yael aufgespürt, als er ihr die Stille E-Mail schickte und sie naiv genug war, sie zu öffnen. Dann funkte Cox dazwischen, aber Cox kann bis auf Weiteres niemandem mehr helfen.
Krankenhaus. Künstliches Koma.
Diesmal wird er es zu Ende bringen. Persönlich.
Die Treppe macht einen Knick, erster Stock, Türe steht offen.
Im Rahmen lehnt Hagen.
Dreyfus hält den Kopf gesenkt. Die Waffe steckt im Halfter unter der Jacke. Er will nicht riskieren, dass der Deutsche ihn zu genau ansieht und misstrauisch wird. Erst in die Wohnung gelangen.
Dann Tabula rasa.
»Kommen Sie rein, Abu.«
Hagen macht Platz.
»Tut mir leid wegen der Unannehmlichkeiten.« Dreyfus geht an ihm vorbei in den Wohnraum und schaut sich um. Sitzecke, Küchenzeile. Ein offener Durchgang führt ins Schlafzimmer.
Keine Yael.
Als Nächstes sieht er die offene Schiebetür zum Balkon.
Ein dunkler Verdacht steigt in ihm auf.
»Sie sind allein?«
Dreht sich um, die Hand schon auf dem Weg zum Pistolenhalfter, lässt sie verblüfft
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