Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
alle Ehre.« Er zeigt auf meinen Vater und meine Mutter, für den Fall, dass ich nicht weiß, wer sie sind.
»Danke.« Ich schüttele seine klebrige, beringte Hand.
»Wie alt bist du jetzt?« Er lässt meine Hand nicht los.
»Sechzehn, Sir.«
»Sechzehn! Ha! Bist ja ein richtiges Prachtexemplar. Könntest einundzwanzig sein. Jude, geben Sie dem Mann einen Drink.« Endlich lässt er mich los und schnippst in Richtung der Whiskyflasche auf der Anrichte. Mein Vater eilt herbei und gießt etwas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in ein Glas.
»Was? So wenig? Ha! Seien Sie kein Geizhals, Jude!« Der Präsident lacht schnaubend.
Mein Vater kichert und schenkt mein Glas ganz voll. Normalerweise ist er eher unwirsch und leidenschaftslos, deshalb ist es immer ein interessantes Schauspiel, ihn vor dem Präsidenten umherschwänzeln zu sehen. Die ganze Veranstaltung ist so absurd, dass einem eigentlich gar nichts anderes übrig bleibt, als zu trinken. Also hebe ich mein Glas und nehme einen großen Schluck. In dem Moment sehe ich Lennon und Keane, meine Zwillingsbrüder, auf der Couch hocken. Ebenfalls mit Whiskygläsern und wild kichernd. Lennon hebt grinsend sein Glas und murmelt »Cheers!« Die beiden sind zehn!
Wenn Bea hier wäre, würde sie zu ihnen rübergehenund ihnen mit strengem Blick die Gläser wegnehmen. Und dann wahrscheinlich selbst einen kleinen Schluck probieren. Aber wenn ich ihr nachher von dieser ganzen schrägen Nummer erzähle, wird sie’s nicht glauben.
Der Präsident räuspert sich und mein Vater eilt herbei, um sein Glas neu zu füllen.
»Braver Mann, vielen Dank. Ha! Was ist mit Ihrer Frau? Cynthia, wollen Sie nicht auch mal nippen?«
Oh Mann, wie besoffen muss man eigentlich sein, um nicht mitzukriegen, dass meine Mutter aussieht, als hätte sie einen Ballon verschluckt?
»Hier ist ein Baby drin, Cain.« Meine Mutter streichelt ihren Bauch und ich wende mich instinktiv ab. Immer, wenn ich sie so sehe, habe ich ein Bild meiner Eltern vor Augen, das mich abstößt. »Und sowieso: Es ist ja Quinns großer Tag«, sagt meine Mutter und steuert auf mich zu.
»Ich denke, er weiß es noch gar nicht. Erzählen Sie’s ihm, Cain. Bitte, machen Sie uns die Freude.« Mein Vater lächelt so angestrengt, dass man seine Backenzähne sieht. Was für ein unerträglicher Speichellecker. Ich nehme einen Schluck.
»Gibt’s Neuigkeiten?«, frage ich in den Raum. So glückselig, wie sie alle um mich herum sind, muss das, was sie mir mitzuteilen haben, schon ziemlich abgefahren sein. Vielleicht eröffnen sie mir gleich, dass ich auch schwanger bin?
»Nun, mein Junge, ich freue mich außerordentlich, dir mitteilen zu können, dass du die erste Zulassungsprüfung zum Führungskräfteprogramm bestanden hast, und zwar so gut, dass Professor Felling dich direkt fürdas Schlussexamen zugelassen hat, ohne dass du durch die weiteren vier Prüfungsrunden musst.« Der Präsident grinst.
Ich verschlucke mich, muss husten und speie in hohem Bogen den Whisky wieder aus. Wie um Himmels willen soll ich das Bea erklären? Die schlechte Nachricht heute hat sie so fertiggemacht, dass sie nicht mal darüber sprechen konnte.
»Mein Teppich!«, kreischt meine Mutter und rauscht in die Küche.
»Nun, Quinn, mein junger Freund.« Der Präsident klopft mir so schwungvoll auf den Rücken, dass ich stolpere und noch mehr Whisky verschütte, gerade als meine Mutter aus der Küche zurückwatschelt.
»Um Himmels willen!« Schon kniet sie auf dem Boden, um die Flecken zu betupfen.
Mein Vater strahlt, meine Brüder grinsen, der Präsident glotzt mich aus blutunterlaufenen Augen gespannt an – alle warten sie darauf, dass ich die Arme hochreiße und Jubelschreie ausstoße. Wenn ich jetzt einen Cancan vor ihnen tanzen würde, würden sie wahrscheinlich völlig aus dem Häuschen geraten.
»Da muss ein Fehler vorliegen«, bringe ich schließlich heraus.
Meine Mutter schnappt nach Luft. Das Lächeln meines Vaters ist wie wegradiert.
»Wie bitte?« Die Augen des Präsidenten verengen sich.
»Es lief zwar ganz okay bei mir, aber Bea Whitcraft war viel besser. Und sie ist durchgefallen. Also kann ich wohl kaum bestanden haben.«
»Da liegt kein Fehler vor«, sagt mein Vater, sehr langsam. Meine Brüder schälen sich aus dem Sofa und verkrümeln sich in den Flur, selbst meine Mutter verschwindet wieder in die Küche.
»Er zeigt Skrupel! Haha!« Der Präsident haut mir wieder auf den Rücken, so kräftig, dass ich mich am Kaminsims
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