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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
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einem Jahr vermisst und noch immer gibt es nicht den kleinsten Hinweis auf ihren Verbleib. Mein erster Impuls ist zu fragen, wo sie ihn gefunden haben, als könnte ich mit einer Antwort rechnen wie: »Unter der Dusche.« Oder: »Er hat sich unterm Bett versteckt.« Aber mir ist klar,dass ich eigentlich fragen will, wie er gestorben ist, denn wenn er noch leben würde, bräuchte wohl niemand hier zu flüstern.
    »Wann haben sie ihn gefunden?«, bringe ich letztlich heraus.
    »Heute Morgen«, antwortet Tante Harriet. »Es kam in den Nachrichten. Der arme Junge wurde zwischen Kuppel und Luftrecyclinganlage gefunden. Sie behaupten, er habe die Verbindungsröhre beschädigen wollen.«
    »Klar. Ohne Sauerstoffflasche. Er ist eine halbe Meile gelaufen und hat dabei die Luft angehalten«, murmelt Silas.
    »Also haben sie ihn erst aus dem System gelöscht und dann wiedergefunden, um ihn am Ende umzubringen? Warum?«, frage ich.
    Silas zuckt die Achseln.
    Onkel Gideon steht auf. »Silas hat uns erzählt, was in der Biosphäre passiert ist. Sie müssen ihn geschnappt haben.«
    Keiner schaut mich an. Geben sie mir die Schuld? Schließlich war es meine Entscheidung, ihn mitzunehmen. Und ich habe ihn gezwungen, auch noch den zweiten Stein zu werfen. Was er nicht wollte. Nicht mal den ersten wollte er werfen. War es das wirklich wert? Das würde dann ja bedeuten, dass der Widerstandskampf wichtiger ist als ein Menschenleben. Was machen wir da überhaupt? Wir stehlen ein paar Setzlinge, schmuggeln sie raus und pflanzen sie irgendwo ein – wohl kaum ein Beitrag zur Rettung unseres Planeten. Wenn die Bäume endlich groß sind, wird Abelimmer noch tot sein. Wir alle werden dann längst tot sein.
    Ich zittere offenbar am ganzen Leib, denn Gideon und Harriet halten mich jeder an einer Seite fest, damit ich nicht zusammenklappe. Wenn ich Abel nicht so sehr gemocht hätte, wäre er noch am Leben. Fangt nichts miteinander an, hat Petra uns gewarnt. Immer und immer wieder. Warum bloß habe ich nicht auf sie gehört?
    Silas beobachtet mich. Gut möglich, dass er schon länger ahnt, was ich für Abel empfinde. Er würde dennoch nichts sagen, er würde mich nicht für Abels Tod verantwortlich machen. Er schaltet den Bildschirm an, dreht die Lautstärke hoch und kommt zu mir.
    »Du musst raus aus der Kuppel. Selbst wenn sie dich nicht erkannt haben, kannst du nicht sicher sein, dass er dich am Ende nicht verraten hat. Du musst auf schnellstem Weg zu Petra.«
    Mein Atem wird schneller. Ich habe keine Sauerstoffflasche für draußen, und selbst wenn ich eine hätte, würde ich es niemals durch die Grenzkontrolle schaffen, wenn das Ministerium hinter mir her ist.
    Silas spürt meine Panik. »Pack deinen Rucksack, Alina. Sie werden nach dir fahnden.« Er geht in sein Zimmer. »Nun mach schon!«
    Mein Onkel und meine Tante schauen sich einen Moment verzweifelt an und verfallen dann, ohne ein einziges Wort zu wechseln, in hektische Aktion. Gideon rückt den Küchenschrank von der Wand ab und zieht eine große Sauerstoffflasche samt Atemmaske dahinter hervor.
    »Für den Notfall«, sagt er.
    Tante Harriet packt einen Rucksack mit Essen und Wasser zusammen.
    Vor nur zwei Tagen habe ich mit Abel gefeiert, und jetzt ist er tot und ich bin auf der Flucht. Mein Magen dreht sich um, und plötzlich falle ich auf Hände und Knie und übergebe mich. Tante Harriet springt herbei und hält mir die Haare aus dem Gesicht.
    »Alles wird gut«, flüstert sie und lächelt, als ob sie es wirklich glaubt.
    »Alina, los! Jetzt mach schon!«, drängt Silas.
    »Ich wisch das nur schnell weg«, sage ich zu meiner Tante.
    »Nein, du nimmst jetzt die Beine in die Hand.«
    Und dann hören wir es – ein Poltern und Hämmern an der Wohnungstür. Das kann nur eins bedeuten: Das Ministerium ist da.
    »Die Pflanzen«, flüstert mein Onkel.
    Silas rennt auf den Balkon. »Komm«, sagt er.
    Ich schnappe mir den Rucksack, den Tante Harriet erst zur Hälfte gefüllt hat, packe schnell die Ulmensetzlinge aus dem Naturschutzareal dazu, und eile auf den Balkon. Einen Moment stehen wir da und starren verzweifelt erst auf die Pflanzen und dann auf die Straße zehn Stockwerke unter uns. Höchste Zeit, die Pflanzen runterzuwerfen.
    »Hier rüber«, krächzt es da plötzlich neben uns und wir fahren erschrocken herum.
    Old Watson lehnt an seiner Balkonbrüstung und gibt uns Zeichen. Ich schaue Silas an. Können wir ihm trauen?Aber was habe ich für eine Alternative, als zu ihm

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