Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
drohst.« Und außerdem will ich zusammen mit Bea auf das Institut, denke ich, spreche es aber nicht laut aus.
»Oh, Mann, jetzt werd mal erwachsen, Quinn. Ich habe mir die Videoaufzeichnung eurer Diskussion angesehen. Diese Freundin von dir, die hat euch alle vollkommen an die Wand geredet«, sagt mein Vater. Innerlich scheint er fast zu triumphieren, so als wäre meine Unzulänglichkeit Anlass zum Jubeln.
»Und warum hat der Präsident dann ein Interesse daran, dass ausgerechnet ich am Führungskräftetraining teilnehme? Und warum willst du das?« Ich durchschaue einfach nicht, was mein Vater von mir will und was er mit mir vorhat. Ich hab’s noch nie begriffen. Manchmal ignoriert er mich komplett, sodass ich das Gefühl habe, es ist ihm völlig egal, was ich mache. Und dann hört er nicht auf, mir auf den Wecker zu gehen. Wahrscheinlich will er aus mir einfach nur eine etwas blassere Miniaturausgabe seiner selbst machen.
»Oh, mein lieber Junge«, schaltet sich meine Mutter ein, die sich jetzt zu mir auf die Couch setzt und mir mit ihrer rauen Hand übers Gesicht streicht. Was ich hasse. Ich schiebe ihre Hand weg. Ich bin kein Kleinkindmehr. Soll sie sich ihr Gestreichel doch für das Baby aufheben.
Unterdessen redet mein Vater unbeirrt weiter. »Du bist mein Sohn, und gute Beziehungen zu haben, ist entscheidend. So ist das Leben nun mal. Du kannst leider nichts daran ändern, dass dein Vater den Präsidenten kennt, genauso wenig wie Bea etwas daran ändern kann, dass ihre Eltern nur Menschen zweiter Klasse sind.«
»Also, jetzt reicht’s!«, brülle ich und stehe kopfschüttelnd auf. Ich habe ihn noch nie so verächtlich sprechen hören.
»Komm, jetzt werd mal nicht pathetisch, Sohn.«
»Sir, ich …«
»Du kannst abziehen«, sagt er und steht abrupt auf. Also renne ich aus dem Raum, wobei ich ihn im Vorbeistürmen mit der Schulter anrempele. Lennon und Keane hocken im Schneidersitz am Fuße der Steintreppe. Sie sind nicht direkt betrunken, aber nüchtern sind sie auch nicht.
»Arme Bea«, sagt Lennon.
»Ich mag Bea«, fügt Keane hinzu. Was stimmt. Keane war schon im Windelalter in Bea vernarrt. Und sie mag ihn auch. »Was wirst du ihr sagen?«, fragt er. Ich zucke die Achseln. »Sie wird heulen«, meint er.
»Klar wird sie heulen«, stimmt ihm Lennon zu.
Ich sehe Bea vor mir, wie meine kleinen Brüder sie sich gerade ausmalen: mit zusammengepressten Lippen und zuckenden Nasenflügeln, während sie mir zuhört, zu stolz, um in meiner Gegenwart zu weinen.
Ich brauche mit diesem blödsinnigen Führungskräftetraining gar nicht erst zu beginnen. Ob ich in Politik oder Wirtschaft Karriere mache, ist vollkommen egal, das hat keinerlei Auswirkungen, für niemanden. Hätte hingegen Bea Erfolg, könnte sie ihre ganze Familie damit retten. Es ist einfach beschämend. Ich tätschele meinen Brüdern die Köpfe, warne sie, nicht leichtfertig zur Whiskyflasche zu greifen, und renne nach oben in mein Zimmer.
Dort werfe ich mich aufs Bett, schalte mein Pad ein und klicke mich zur Ortungsfunktion durch. Bea ist ebenfalls online und ich kann sehen, dass sie zu Hause ist. Ich würde mich so gerne bei ihr melden, ihr alles erzählen und ihr sagen, dass es mir leidtut. Doch stattdessen liege ich einfach nur da und lasse meine Gedanken kreisen.
Und dann kommt wie aufs Stichwort eine Nachricht von ihr: Hast du schon was von Professor Felling gehört?
Ich starre auf mein Pad und überlege, was ich antworten soll. Nach einigen Minuten tippe ich Nein, noch nicht . Was ja der Wahrheit entspricht. Von Felling selbst hab ich noch nichts gehört.
Ich schalte das Pad aus und schleudere es auf den Boden. Dann ziehe ich die Bettdecke über mich, mit Klamotten und Schuhen, und gleite leicht betrunken in den Schlaf.
ALINA
In der Wohnung ist es still. Das Licht ist aus. Im Wohnzimmer hockt Silas auf der Couch, den Kopf in den Händen vergraben. Meine Tante und mein Onkel sitzen neben ihm, haben ihn in ihre Mitte genommen. Etwas so Schreckliches muss geschehen sein, dass sie weder weinen noch schreien. Sie können offenbar nur regungslos dasitzen.
»Silas«, murmele ich. Ich habe Angst, die Stille zu durchbrechen.
Meine Tante schaut auf und stürzt zu mir hin. »Wo zum Teufel warst du?« Sie umarmt mich und tritt einen Schritt zurück, um zu sehen, ob mit mir alles in Ordnung ist. »Sie haben Abel gefunden«, flüstert sie.
Ich weiß, dass ich richtig gehört habe, aber ich kann es nicht glauben. Meine Eltern werden seit
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