Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
begraben, so weit weg, dass man die Gräber als Tourist nicht erreichen kann. Damit die Menschen trotzdem einen Ort für ihre Trauer haben, hat das Ministerium dieses Ehrengrabmal errichten lassen. Allerdings können sich viele Seconds den Sauerstoff nicht leisten, den man braucht, um hierherzukommen. Meine Familie zum Beispiel musste zu Hause einekleine Abschiedsfeier abhalten, als meine Großmutter starb.
»Kennst du jemanden, dessen Name auf dem Stein eingraviert ist?«, fragt Quinn Alina.
Sie schließt für einen Moment die Augen und man sieht ihre Lider zucken. »Nein«, sagt sie. »Die Namen meiner Eltern stehen nicht drauf.«
Quinn öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, aber ich kneife ihn. Das ist nun echt nicht seine Angelegenheit.
»Könnt ihr euch vorstellen, wie groß das Ding wäre, wenn alle draufstehen würden, die beim Switch umgekommen sind?«, fragt er.
Wir schauen an dem gewaltigen Stein hoch, wenden uns aber schnell wieder ab und gehen weiter. Die Vorstellung ist einfach schwindelerregend.
Nach und nach lichten sich die Reihen der Soldaten, die die Kuppel in konzentrischen Kreisen umstehen, und nach einer weiteren Stunde haben wir den allerletzten Sicherheitsgürtel hinter uns gelassen. Nur einige verstreute Tagestouristen sind noch zu erkennen – kleine, langsam wandernde Punkte, mindestens eine Meile entfernt.
Wir überqueren einen alten Schulhof, kommen an verrotteten Bänken und einem abgeknickten Basketballkorb vorbei. In einer Ecke liegen umgestürzte Mülleimer, aus denen Flaschen hervorquellen – die aus Plastik sind sogar noch heil. Wir erreichen eine breite Straße mit einer Fußgängerbrücke aus Beton, über die wir auf die andere Seite gelangen. Dort hält Alina an und stemmt entschlossen die Hände in die Hüften.
»Ab hier gehe ich alleine weiter«, verkündet sie.
Ich schaue Quinn an.
»Aber alleine bist du nicht sicher«, wendet er ein.
»Keine Sorge, ich hab genug Luft, um dahin zu gelangen, wo ich hinmuss.« Sie klopft auf ihre Sauerstoffflasche und streckt uns ihren erhobenen Daumen entgegen. »Ich brauche nicht so viel wie ihr. Ich habe mein Ventil bereits halb zugedreht.«
»Wo genau willst du denn hin?«, fragt Quinn.
»Nach Westen.«
»Du wirst es nicht mal bis in die Stadt schaffen.«
»Keine Sorge, ich gehe zu einem sicheren Ort.«
»Hey, du musst uns schon sagen, was du vorhast. Weißt du, was ich für einen Ärger kriege, wenn mein Vater erfährt, dass ich den RATTEN geholfen habe?«
»Wir nennen uns Rebellen«, sagt Alina spitz.
Quinn wird rot. »Ich meine, ich weiß ja, dass du nicht so schlimm sein kannst, wie sie sagen. Es ist nur … mein Vater wird mir mindestens einen Monat Hausarrest aufbrummen. Eher zwei. Aber wenn du mir erklärst, worum es hier geht, kann er dir vielleicht helfen.«
Alina zieht eine Grimasse und ich rolle mit den Augen. Falls Quinn sie beeindrucken will, stellt er sich wirklich selten blöd an: Sie wird vom Ministerium verfolgt, und er macht sich in die Hose, weil er Stress mit seinem Vater kriegen könnte – nicht ganz dieselbe Größenordnung. Und obendrein ist der Gedanke, dass Quinns Vater sich auf Alinas Seite stellen könnte, ziemlich irrwitzig.
»Quinn …«, lege ich los, aber er winkt ab.
»Danke, dass ihr mir geholfen habt, aber jetzt trennen sich unsere Wege. Alles andere wäre zu gefährlich.« Alina schaut mich an. Warum? Sehe ich schwächlich aus? Sie wird ja wohl kaum zäher sein als ich, schließlich ist sie auch eine Second.
»Du hast übrigens nicht mal gefragt, wie wir heißen.« Quinn klingt gekränkt.
»Du bist Quinn Caffrey. Habe ich an der Grenze gehört.«
»Und das hier ist Bea«, stellt er mich vor und legt eine Hand auf meine Schulter.
»Freut mich, dass ich euch kennengelernt hab.« Alina verabschiedet sich mit einem förmlichen Händedruck und dreht sich um. »Ach ja, danke für die Klamotten. Ich hätte sonst ziemlich gefroren.« Sie blickt zu den Häuserruinen und Trümmeransammlungen, die in unregelmäßigen Abständen am Horizont aufragen. Die Landschaft verändert sich permanent: Weite Strecken Brachland, die ehemaligen landwirtschaftlichen Anbauflächen, wechseln sich ab mit Gebieten, wo sich Schutt und Schrott nur so ballen.
Dann marschiert Alina los.
»Du traust uns nicht«, ruft Quinn ihr hinterher. Er guckt mich an, sucht Unterstützung, aber ich zucke nur die Achseln. Warum sollte sie uns auch trauen? Ich traue ihr ja auch nicht. Ich kenne sie ja nicht mal.
Da dreht
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