Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
sich Alina noch einmal um. »Hier ist übrigens ’n guter Platz zum Campen«, sagt sie mit einer ausladenden Handbewegung und ohne weiter auf Quinns Bemerkung einzugehen. »Wenn ihr weitergeht, wird’sziemlich deprimierend. Und gefährlich. Es sei denn, ihr habt Schutzhelme im Gepäck.« Sie versucht zu lächeln. »Etwas weiter nördlich gab’s früher mal einen Wald. Den Mönchswald.«
Ich verdrehe die Augen, um ihr zu signalisieren, dass wir nicht blöd sind. Natürlich kennen wir den Mönchswald. Jeder kennt den Mönchswald. Genau dort hatten wir ja vor, zu übernachten. Auch wenn wir natürlich nicht geplant hatten, so schnell dort anzukommen. Eigentlich wollten wir ja gemütlich durch die alten Dörfer wandern, anstatt auf kürzestem Weg querfeldein zu hetzen und die Überreste der alten Zivilisation weitgehend links liegen zu lassen.
»Ja, okay«, murmelt Quinn. Er hat offenbar aufgegeben.
»Viel Glück«, rufe ich. »Aber sag mal: Hast du überhaupt was zu essen?« Auch wenn ich nicht unbedingt scharf auf Alinas Gesellschaft bin – dass sie verhungert, will ich natürlich auch nicht.
Als sie zögert, hole ich eine Packung Kekse aus meinem Rucksack und gebe sie ihr. Sie lächelt, winkt mir mit ihrer freien Hand zu und macht sich dann endgültig auf den Weg.
Quinn und ich schauen ihr nach, wie sie auf eine Ansammlung baufälliger Häuser in der Ferne zusteuert. Sie scheint ihr Ziel genau zu kennen.
Obwohl die Sonne inzwischen hoch steht, ist der Himmel immer noch trübe und dunstig. Ich lasse meinen Blick schweifen, kann aber keine anderen Leute mehrerkennen, nicht einmal als kleine sich bewegende Punkte in der Ferne. Quinn und ich sind allein. Wir hocken uns auf einen Steinwall und essen einen Proteinriegel mit Kokosgeschmack. Mit Maske ist das nicht ganz leicht: Mit der einen Hand halten wir die untere Maskenhälfte weg vom Gesicht und schieben umständlich kleine Stücke in den Mund, mit der anderen Hand pressen wir den oberen Maskenteil auf die Nase.
Seitdem Alina am Horizont verschwunden ist, hüllt sich Quinn in brütendes Schweigen. Eine Weile ignoriere ich das, in der Hoffnung, dass er sich wieder einkriegt. Aber wahrscheinlicher ist wohl, dass er für den Rest des Trips den Mund nicht mehr aufmacht, wenn wir jetzt nicht darüber reden.
»Sie muss irgendwie gegen das Gesetz verstoßen haben«, sage ich. Es fällt mir schwer, ihren Namen auszusprechen.
»Was auch immer da passiert ist, sie hat richtig Stress. Ich hoffe, wir konnten ihr helfen.«
»Na, also so hilflos sah sie nun auch wieder nicht aus. Sie weiß genau, was sie tut. Und überhaupt: Was willst du jetzt noch machen? Ihr hinterherlaufen?«
Quinn schaut immer noch auf die verlassenen Gebäude am Horizont. Plötzlich hört er auf zu kauen, klopft sich seitlich an den Kopf und starrt mich an. Ich starre zurück. Dann schürzt er die Lippen, drückt seine Gesichtsmaske gegen meine und macht ein lautes Schmatzgeräusch. Ich fühle, wie ich rot werde, und fummle schnell an meinem Reißverschluss herum.
»Was ist?«, frage ich und zupfe jetzt an meinen Haaren,die vom Riemen meiner Atemmaske eingeklemmt sind. Der Riemen sitzt zu eng und drückt und ich stelle ihn etwas weiter.
»Du hast vollkommen recht, wir müssen ihr folgen! Sie ist völlig allein, völlig wehrlos und auf sich gestellt. Das kann hier draußen tödlich sein. Hier gibt’s massenhaft Ausgestoßene, und schau dir mal den Himmel an. Das Wetter wird schlecht, sie hat keine passende Kleidung. Weißt du, was wir sind, wenn ihr irgendwas passiert? Mörder.«
»Mörder? Wieso denn das? Hätte sie unsere Hilfe gewollt, hätte sie uns drum gebeten. Aber nein, sie hat klipp und klar gesagt, dass wir uns verziehen sollen. Sie will unsere Hilfe nicht, Quinn, weil sie nämlich da draußen ihre Leute hat. Leute, die um einiges härter drauf sind als wir, schätze ich mal an. Wir sind nicht ihre Freunde.«
Als ich das sage, kaut Quinn heftig auf seiner Unterlippe herum. Er wirkt gekränkt. »Hast du etwa keine Lust auf ein Abenteuer, Bea? Denn hier ist eins – ein richtig krasses, toughes Abenteuer. Keines dieser Abenteuerspielchen, wie wir sie als Kinder gespielt haben. Fühlst du dich nicht auf einmal auch … viel lebendiger?«
»Oh ja, super, ich fühle mich extrem lebendig. Aber wenn wir diesem Mädchen weiter hinterherlaufen, könnte es sein, dass ich mich nicht mehr sehr lange lebendig fühle. Mein Sauerstoff reicht nicht ewig.« Ich tippe gegen meine Flasche.
»Ach
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