Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
was, wir haben reichlich. Genug für zwei Tage.Und außerdem hat sie doch angedeutet, dass es dort, wo sie hingeht, ausreichend Luft gibt. Dort füllen wir nach.«
»Mensch, Quinn.« Ich könnte auf der Stelle losheulen. Ich würde ihm am liebsten sagen, dass das nicht fair ist, dass wir beide, nur wir beide, diesen Ausflug geplant hatten und dass ich gehofft hatte, dass er mich hier draußen entdeckt – und nicht irgendein dahergelaufenes Mädel. Und wenn ich mich weigere mitzugehen? Tja, dann kann ich wohl sehen, wie ich alleine zur Kuppel zurückkomme – und auf dem Weg dorthin darüber nachgrübeln, wie blöd Quinn meine Reaktion findet.
»Ich weiß, dass du Angst hast«, sagt er und ich fühle mich gleich ein bisschen besser. Zumindest denkt er über meine Gefühle nach. »Und es stimmt: Wir brauchen irgendwas, um uns zu verteidigen. Hast du etwas, das als Waffe taugt?« Er springt von der Steinmauer herunter.
»Warum hätte ich so was mitbringen sollen?«
»Ich hab ein Messer. Um das Essen zuzubereiten.« Er zieht ein Messer mit einer langen, massiven Klinge hervor und reicht es mir. Der Griff liegt schwer in meiner Hand. »Das nimmst du«, sagt er und gibt mir das Futteral. »Ich hab auch noch ein Seil. Oh, und einen Hammer. Zum Einschlagen der Zeltheringe.«
»Was glaubst du, auf wie viel Grad sie hochkochen wird, wenn sie mitkriegt, dass wir ihr hinterherdackeln?«, necke ich ihn.
Doch Quinn schmunzelt nicht mal. »Damit können wir uns gegen Ausgestoßene verteidigen.« Er schnürt erst seine Stiefel fester, dann meine. »Bereit?«, fragt er.
»Wie bitte? Ausgestoßene?« Natürlich habe auch ich schon Geschichten über Ausgestoßene gehört – ehemalige Häftlinge und durchgeknallte Irre, denen angeblich irgendwann die Flucht aus der Kuppel gelungen ist. Es heißt, sie hausen in den Nischen der zerstörten Stadt, hängen dort an selbst gebastelten, völlig rudimentären Solar-Atemgeräten und lauern Touristen auf, die sich zu weit von der Kuppel entfernt haben. Aber wie, bitte schön, soll das gehen? Selbst wenn sie entkommen konnten und eine Möglichkeit gefunden haben, sich mit Sauerstoff zu versorgen – wovon ernähren sie sich? Daran sieht man doch schon, dass es ein Gerücht sein muss. Eine Legende.
»Nee, nimm du es. Ich hätte viel zu viel Schiss, das zu benutzen«, sage ich und gebe Quinn das Messer zurück, woraufhin er es an seinem Gürtel befestigt.
»Na los, gehen wir?«, drängt er. Er verstaut unseren Snack, zieht seinen einen grünen Handschuh wieder an und wischt sich über die Stirn. »Sonst holen wir sie nicht mehr ein.«
So sieht’s also aus: Ich laufe Quinn hinterher, Quinn läuft Alina hinterher – und wir alle drei laufen geradewegs in den Schlund dieser vergessenen Stadt hinein. Freiwillig.
ALINA
Eigentlich hatte ich vor, die alten Asphaltstraßen zu meiden, um nicht schon von Weitem für jedermann sichtbar zu sein. Eigentlich wollte ich mir meinen eigenen Weg ins Stadtzentrum suchen. Aber das ist nahezu unmöglich, wenn ich nicht alle naselang über bröselige Mauern und Zäune klettern will. Außerdem fängt es an zu regnen. Kein sintflutartiger Regen, aber stark genug, um die Felder in eine Sumpflandschaft zu verwandeln. Ich ziehe mir Beas Schal über den Kopf und knote ihn fest. Und entscheide mich dann doch für die aufgesprungene, von Schlaglöchern übersäte Straße – gegen die sicherere, aber unwegsamere Querfeldein-Variante.
In der Kuppel verdrängt man leicht, wie es im Ödland wirklich aussieht. Und wenn man als Tourist draußen ist, kann man auch erst mal meilenweit durch die Gegend wandern, ohne an das Blutbad erinnert zu werden, das hier mal stattfand. Doch je weiter man sich von der Kuppel entfernt, desto deutlicher sticht die Verwüstung ins Auge. Überall Trümmer und Müll, stille Zeugen des Chaos, das am Ende herrschte: Hunderte verrosteterAutos, Busse, Lieferwagen, Einkaufswagen, ausgebleichte Baumstümpfe, umgestürzte Telegrafenmasten. Hier und da entdecke ich kleine Gebrauchsgegenstände. Eine Zahnbürste zum Beispiel. Was wohl aus dem Eigentümer geworden ist? Die alten Reklametafeln hängen teilweise noch an den Hauswänden, aber ihre Botschaften sind längst verblichen. Es herrscht eine gespenstische Stille, meine Schritte sind das einzige Geräusch. Selbst das penetrante Sirren der Luftrecycler ist hier nicht mehr zu hören. Es gibt keine Straßenbahngeräusche und kein Stimmengewirr. Keine Menschenseele, die all die
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