Brenda Joyce
Handelsposten unterhalten. Ich habe nicht vor, Sie entkommen zu lassen,
meine Liebe.«
Elysse
hatte ihn wortlos angesehen. All ihre Gedanken kreisten darum, mit
irgendjemandem Kontakt aufzunehmen und zu fliehen. »Ich werde also in diesem
kleinen, schrecklichen Zimmer eingesperrt bleiben, bis mein Lösegeld gezahlt
wurde?«
»Ich
fürchte ja«, hatte er in ruhigem Tonfall erwidert.
Vermutlich
sollte sie dankbar sein für kleine Dinge. Weder sie noch Lorraine waren
verletzt worden. Sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass jeder Angriff
auf Lorraine wie ein Angriff auf sie selbst betrachtet werden würde, und sie
hatte Gautier gesagt, dass ihr Gemahl ein sehr rachsüchtiger Mann war.
Gautier
hatte in heiterem Tonfall erwidert, dass er ihr das glaubte.
Man hatte
ihnen Kleidung gegeben und Toilettenartikel, Papier, Stifte und Bücher. Es war
ihr gestattet worden, an ihre Familie zu schreiben. Gautier wollte die Briefe
mit Vergnügen für sie aufgeben, aber erst, nachdem er sie zensiert hatte.
Sie schrieb
an Alexi, an ihre Eltern und an Ariella. Natürlich würde sie sich vermutlich
schon auf der Heimreise befinden, wenn diese Briefe ankamen. Jedenfalls hoffte
sie das.
Jetzt ging
Elysse vorbei an ihrem Entführer und zu dem Stuhl, den er für sie
zurechtrückte. Lorraine saß bereits am Tisch. Sie sah nicht gut aus. Sie hatte
Gewicht verloren und dunkle Ringe unter den Augen. Die sonnenverbrannte Haut
hatte sich geschält. Sie erschien jetzt viel blasser als vorher.
Von dem
kleinen Handspiegel, den sie in ihrem Zimmer hatte, wusste Elysse, dass sie
ebenso schrecklich aussah. Als sie sich setzte, lächelte sie ihrer Gefährtin
zu. »Wie geht es dir, meine Liebe?«
Lorraine
sah sie nur an. Sie musste nicht einmal etwas sagen.
Elysse nahm
ihre Hand. »Es könnte schlimmer sein. Man hätte uns angreifen können. Und unser
Lösegeld wird gezahlt werden. Das weißt du doch, oder?«
»Ich
weiß«, flüsterte Lorraine. »Aber wir sind schon so lange hier.«
Elysse
hatte die Tage gezählt – sie waren jetzt seit fünfundzwanzig Tagen
eingesperrt. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit. Sie war entschlossen,
optimistisch zu bleiben und stets heiter und hoffnungsvoll zu wirken, aber sie
fühlte sich viel verzweifelter und unsicherer, als sie es zeigte. Inzwischen
hatte Alexi vermutlich Madagaskar im Indischen Ozean erreicht. Wenn er wüsste,
in welcher Notlage sie sich befand, würde er umkehren und nach ihr suchen –
daran zweifelte sie keinen Augenblick.
Wenn du
verloren bist, werde ich dich finden. Wenn du in Gefahr bist, werde ich dich
beschützen.
Dieses
Versprechen hatte er ihr vor so langer Zeit gegeben, aber das spielte keine
Rolle mehr. Ihr Glaube an ihn war alles, was sie hatte – ihre Hoffnung, ihre
Rettung. Die vergangenen sechs Jahre erschienen ihr jetzt dumm und unbedeutend.
Alexi war in Gedanken bei ihr, als wäre er an ihrer Seite, Tag und Nacht. Er
war ihr Anker, ihre Stärke. Der Mann, an den sie nun unentwegt dachte, war der
Mann, den sie schon ihr ganzes Leben lang kannte. Der Bräutigam, der sie gleich
nach dem Ehegelübde im Stich gelassen hatte, ihn gab es nicht mehr. Der Mann,
der sie sechs Jahre lang allein gelassen hatte, er war verschwunden. Hatte es
ihn je gegeben? Wie hatte sie je anzweifeln können, was sie für ihn empfand?
Alexi würde Berge für sie versetzen. Er würde sie aus dieser Hölle befreien,
wenn er nur davon wüsste. Sie liebte ihn aus tiefstem Herzen, so wie keinen
anderen, und das hatte sie schon immer getan. Rückblickend betrachtete sie
jetzt ihre Beziehung in den letzten Monaten und erkannte den Grund für seinen
Zorn. Er war eifersüchtig auf Blair, so wie er es auch auf Montgomery gewesen
war. Alexi erwiderte ihre Liebe – das wusste sie genau.
Zu spät wünschte
sie sich, sie wäre nicht das junge, eitle, kokette Dummchen gewesen und hätte
nicht mit Montgomery und all ihren anderen Verehrern geflirtet. Sie wünschte,
sie hätte der Gesellschaft nicht vorgemacht, sie wäre unabhängig, hätte nicht
die Illusion genährt, eine welterfahrene Frau zu sein.
Wenn der
Tag kommen sollte, an dem sie wieder in Alexis Armen lag, dann, so beschloss
sie, würde sie ihm alles sagen.
Was
Montgomerys Tod betraf, so fühlte sich Elysse, als hätte sie eine Erleuchtung
gehabt. Es konnte keine Schuldgefühle mehr geben. Wenn sie wieder zusammen
waren, dann würde sie dafür sorgen, dass Alexi die Vergangenheit überwand und
verarbeiten konnte. Im Augenblick ging es darum zu
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