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Brennender Stahl (von Hassel)

Brennender Stahl (von Hassel)

Titel: Brennender Stahl (von Hassel) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Brendt
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dann würde er das wohl in See tun müssen. Mit einer müden Geste nahm er seinen Kaffeebecher. Vielleicht war in der Kombüse noch ein Schluck von dem heißen Gebräu. Nicht, dass es ihn wirklich wieder beleben würde, aber es könnte ihm zumindest helfen, noch einmal alles durchzugehen. Hatte er wirklich nichts  übersehen?  Sein Blick blieb an einem Foto hängen, das er an der Wand befestigt hatte. Obwohl er das Bild nicht brauchte, um sich zu erinnern. Sein altes Boot war immer gegenwärtig. Für einen Augenblick sah er sich erschrocken um, aber er war allein. Dann riss er sich zusammen. Das war vorbei. Nur noch eine ständige Mahnung zur Wachsamkeit. Zur immerwährenden Wachsamkeit.
     
    * * *
     
    Achtern im Maschinenraum kratzte sich Oberleutnant Wegemann am Kopf. Die unwillkürliche Geste hinterließ einen schwarzen fettigen Streifen auf seiner Stirn. Er kümmerte sich nicht darum, es war sowieso nicht der Erste. Die Kesselanzüge der Männer waren verschmiert und durchgeschwitzt. Morgen sollte das Boot offiziell in Dienst gestellt werden, aber wie üblich gab es auch hier die Arbeiten in letzter Minute. Nur, dass sie auf U-68 immer noch das gewöhnliche Ausmaß an Zustand, wie Seeleute das Durcheinander so treffend bezeichnen, überschritten.
    »Sie wollen mir also sagen, die Lager seien möglicherweise zu knapp bemessen?« Der Werftingenieur sah ihn ratlos an: »Ja, ich glaube, da stimmt etwas nicht. Ich habe mit dem LI von U-64 gesprochen. Die hatten zwei Lagerschäden in vier Wochen.«
    Harald Wegemann musterte den Backborddiesel. Er war ein erfahrener Mann, nicht nur, was Maschinen anging. Sein schütteres Haar und sein für U-Bootverhältnisse beinahe schon ehrwürdiges Alter von dreißig Jahren hatten ihm den Spitznamen Methusalem eingebracht, der von seinen Heizern aber nur hinter vorgehaltener Hand verwendet wurde. Im Augenblick wurde Methusalem seinem Namen gerecht. Er wirkte älter als er war und vor allem sehr müde.
    Resigniert winkte er ab: »Wir haben zwei Tage, die Sauerei wieder hinzukriegen. Herr Hartmann ...«, er wandte sich an den Werftingenieur, »und ich will Ersatzteile. Es interessiert mich nicht, wie viele mir zustehen und wie knapp die Dinger sind, aber ich will Ersatzteile und Material!«
    »Aber ...«, der Ingenieur öffnete den Mund zum Widerspruch.
    »Nichts aber!« Wegemann schnitt den Einwand mit einer entschiedenen Handbewegung ab: »Setzen Sie Ihren Hintern in Bewegung und besorgen Sie, was wir brauchen, und zwar pronto!« Er wandte sich an die anderen Männer die gedrängt in dem engen Maschinenraum standen: »Also Männer, der Steuerborddiesel tut's ja noch. Damit können wir morgen ins Arsenal tuckern. Dann sehn wir weiter.« Er lächelte schmal. »Wäre doch gelacht, wenn wir dieses Wunderwerk nicht kaputt kriegen würden!«
    Seine Heizer sahen sich an. Es war nicht die vollständige technische Crew, die hätte auch kaum hier rein gepasst. Aber es waren die Älteren, die Harten. Einige von ihnen kannten den LI noch vom alten Boot, aber nur wenige. Die anderen waren unsicher, schließlich wusste man bei einem Offizier nie so recht, woran man war.
    Wegener grinste bei dem Gedanken, obwohl er sich alles andere als heiter fühlte: »Wegtreten Männer, wir sehen uns auf der Bootsstube, ich geb 'nen Bier aus!«
     
    * * *
     
    Der Wachposten an der Pier ließ den Blick ziellos schweifen. Es war kalt, und der Schneeregen begann langsam aber sicher, die Ölhaut zu durchdringen. Wie eine schleichende Krankheit kroch die eisige Kälte an seinen Beinen empor. Er musste nicht mehr lange hier stehen. Nach einer Stunde wechselte der Posten auf der Pier und er würde einen heißen Kaffee in der Wachbaracke bekommen. Der würde ihn hoffentlich wieder aufwärmen. Aber er hütete sich, seinen Posten zu verlassen und sich eine etwas geschütztere Ecke zu suchen. Selbst wenn er sicher war, dass niemand das nagelneue U-Boot sabotieren würde, denn wer sollte schon bis hierhin kommen, so wusste er doch, dass trotz der späten Stunde immer noch Leute an Bord waren. Vor allem der Kommandant. Und sicher würde er dem Alten nicht erklären wollen, warum er nicht auf dem Posten war. Vor allem dem Alten nicht!
    Nachdenklich glitt sein Blick über das Boot. U-68! Was für ein Durcheinander! Die Boote, die auf den nahen Helligen emporwuchsen, trugen die Baunummern U-122 und U-123. Nur dieses Boot hatte noch eine zweistellige Nummer. Dabei war es nagelneu, es hatte sich nur ein bisschen verzögert.

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