Brennender Stahl (von Hassel)
Sorceress, die versuchten, sich einen Weg an das brennende Schiff zu ertasten, sahen das aus diesem Blickwinkel. Die Seeleute der Emerald, ein kleines Häufchen übrig Gebliebener, wurde von der Flammenwand immer weiter zum Heck hin abgedrängt, wo unbeachtet und völlig nutzlos das alte Geschütz stand, mit dem man das Schiff ausgerüstet hatte. Die Sorceress hingegen konnte ihnen nicht zu Hilfe eilen. Brennendes Öl lief aus den aufgerissenen Tanks und verwandelte die See in ein Flammenmeer. Immer wieder wurde das kleine Geleitboot von der Hitze zurückgetrieben.
Die Männer der Emerald sprangen am Heck ins Wasser, dort, wo der Flammenteppich sich noch nicht völlig geschlossen hatte, und versuchten schwimmend das Geleitboot zu erreichen. Sie konnten das brennende Öl hinter sich hören, sein Knacken und Fauchen, und sie spürten die tödliche Hitze hinter sich näher kommen, immer näher. Das Öl war schneller. Zuerst erwischte es die schlechteren Schwimmer, aber am Ende war es auch zu schnell für die Besten. Nicht einer der Männer erreichte die Sorceress. Sie verbrannten oder erstickten wenn das Feuer allen Sauerstoff an der Wasseroberfläche in sich aufsaugte. Den Männern auf dem Geleitboot blieb nichts anderes übrig, als ihnen beim Sterben zuzusehen.
Ein Stück entfernt in der Dunkelheit, außerhalb des brennenden Infernos, lag das U-Boot. Der deutsche Kommandant war stur an der Oberfläche geblieben, so dass ihn das ASDIC des eifrig suchenden Geleitbootes nicht finden konnte. Mit regungslosem Gesicht beobachtete der Kommandant den sterbenden Tanker. Für Augenblicke dachte niemand daran, den Geleitzug zu verfolgen, aber in spätestens einer Stunde würden sie trotzdem wieder hinter den Handelsschiffen her sein.
Im Augenblick warteten sie darauf, dass der Tanker sank, denn der BdU Befehl lautete, das Sinken zu beobachten. Zweitausend Meter Abstand waren nicht viel, aber genug. Doch die starken Nachtsichtgläser oder gar die Vergrößerung der UZO zeigten ihnen immer noch Details. Und was sie nicht sahen, ergänzte die Vorstellungskraft. Schweigen hing über dem Turm, nur unterbrochen vom Plätschern der Wellen gegen den Rumpf. Es war Krieg, und sie hatten nur ihre Pflicht getan. Aber trotzdem war jeder im Stillen wenigstens froh darum, dass der Kommandant nicht auch noch das Geleitboot angriff.
Hinter der Stirn des Kommandanten rasten die Gedanken, aber sein Gesicht zeigte nicht die geringste Spur davon. Das war nicht das erste Schiff, das er versenkte und es würde auch nicht das letzte sein. Vorausgesetzt, sie blieben selbst lange genug am Leben. Er wusste, dass die Männer um ihn her auf dem Turm beeindruckt und entsetzt waren. Vielleicht würden sie diese Bilder nie wieder loswerden. Er jedenfalls konnte sich noch an jedes Schiff erinnern. An diejenigen, die leise starben, manchmal von der eigenen schweren Ladung und der Kraft der immer noch drehenden Schrauben innerhalb von Augenblicken in die Tiefe geschoben wurden, ohne dass die Besatzung auch nur eine Chance hatte, Boote auszusetzen und an diejenigen, die wie dieser Tanker lautstark explodierten und in einem Inferno aus brennendem Stahl starben.
Nur, korrigierte er sich, wenn er nicht aufpasste, würde das Schicksal auch ihn und seine Männer einholen. Denn was das Sterben anging, waren der Atlantik und der Krieg völlig unparteiisch. Heute du und morgen ich. Doch in seinem Inneren fühlte er die Furcht, die Furcht, die ihn nicht mehr verlassen hatte, seit der Sturm losgebrochen war. Die Furcht war sein ständiger Begleiter geworden. Sie hielt ihn wachsam und am Leben. Und eines Tages würde sie ihn vielleicht vernichten.
Die Männer
Aufmerksam beobachtete der kräftige Mann, wie sein Gegner taumelnd wieder auf die Füße kam. Um ihn herum begannen die Männer laut zu grölen, denn nicht wenige hatten Wetten abgeschlossen. Er wusste, der andere war geschlagen, aber man sollte ja immer auf Nummer sicher gehen. Tief atmete er die Mischung aus schalem Biergeruch, Zigarettenrauch und fettigem Boulettenaroma ein, die man hier als Luft bezeichnete. Er dachte sich nichts dabei, er war Schlimmeres gewöhnt.
Rudolf Braunert wartete geduldig ab, bis der andere wieder aufrecht stand, dann beendete er den Kampf endgültig mit einem seiner linken Haken an das Kinn seines unglücklichen Gegners. Der Treffer saß mit der Präzision langjähriger Übung. Der getroffene Mann, obwohl nicht wesentlich kleiner und leichter als der baumlange Braunert, wurde
Weitere Kostenlose Bücher