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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ist Meuterei! Das ist Banditentum! Das grenzt an Landesverrat!«
    Oscar wandte sich von den kreischenden Kindern ab. Er wusste ganz genau, dass Straßenblockaden an der Tagesordnung waren. Ständig wurden im ganzen Land Straßen und Wege gesperrt. Straßenblockaden wurden nicht mehr als ›Straßenraub‹ betrachtet, sondern stellten eine geduldete Form des zivilen Widerstands dar. Straßenblockaden waren der alltägliche Ausdruck von Problemen, wie sie ganz ähnlich auf dem Informationshighway existierten: Übertragungsstörungen, Überflutung mit unerwünschter Mail und Verweigerung von Serviceleistungen. Dass nun auch die Air Force daran beteiligt war, stellte lediglich die exotische Spielart einer alltäglichen Praxis dar.
    Andererseits hatte Bambakias’ Rhetorik eindeutig ihre Vorzüge. Sie war kraftvoll und schwungvoll. Sie war deutlich und zitierbar. Sie war vielleicht etwas weit hergeholt, aber ausgesprochen patriotisch. Einer der großen Vorzüge der Politik als Kunstform bestand darin, dass sie von der Realität weitgehend abgekoppelt war.
    »Senator, was Sie da sagen, hat eine Menge für sich.«
    »Danke«, sagte Bambakias. »Wir können in dieser skandalösen Angelegenheit natürlich nicht viel tun, gesetzgeberisch gesprochen. Schließlich bin ich noch nicht offiziell im Amt und werde erst Mitte Januar den Amtseid leisten.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Daher halte ich eine moralische Geste für angebracht.«
    »Aha.«
    »Zumindest – das ist ja wohl das wenigste – sollte ich meine Solidarität mit unseren geplagten Soldaten unter Beweis stellen.«
    »Ja?«
    »Morgen Vormittag halte ich hier in Cambridge eine Online-Konferenz ab. Lorena und ich beabsichtigen, in den Hungerstreik zu treten. Solange bis der Kongress sich bereit erklärt, unsere Männer und Frauen in Uniform zu ernähren, werden auch meine Frau und ich hungern.«
    »Ein Hungerstreik?« sagte Oscar. »Das ist ein sehr radikaler Schritt für einen gewählten Politiker.«
    »Sie werden doch wohl nicht von mir erwarten, dass ich in den Hungerstreik trete, nachdem ich das Amt übernommen habe«, erklärte Bambakias vernünftig. Er senkte die Stimme. »Hören Sie, wir halten das für machbar. Wir haben im Büro in Washington und in der Parteizentrale in Cambridge darüber diskutiert. Lorena meint, nachdem wir uns ein halbes Jahr lang bei diesen Wahlkampfessen gemästet haben, wären wir so dick wie Schweine. Wenn dieser Schritt überhaupt Erfolg haben kann, dann ist das der richtige Moment.«
    »Stünde das« – Oscar wog seine Worte sorgfältig ab –, »stünde das denn auch im Einklang mit der Würde des Amtes?«
    »Hören Sie, ich habe den Wählern niemals Würde versprochen. Ich habe ihnen Ergebnisse versprochen. Washington verliert an Einfluss, und was man dort auch probiert, macht alles bloß noch schlimmer. Wenn wir diesen Hundesöhnen im Notstandsausschuss nicht die Initiative aus der Hand nehmen, kann ich mich auch ebenso gut zur dekorativen Bücherstütze erklären. Und das ist nicht das, was ich wollte.«
    »Ja, Sir«, sagte Oscar. »Das weiß ich.«
    »Es gibt da eine Rückzugsoption… Falls der Hungerstreik zu keinem Ergebnis führt, könnten wir einen Konvoi in Bewegung setzen und auf eigene Faust eine Rettungsaktion durchführen. Wir fahren nach Louisiana runter und versorgen den Luftwaffenstützpunkt mit Nahrung.«
    »Sie meinen so etwas ähnliches wie unsere Bauaktionen während des Wahlkampfs.«
    »Ja, diesmal aber landesweit. Wir machen die Aktion über den Parteiapparat und das Netz bekannt, mobilisieren unsere Aktivisten und sammeln uns in Louisiana. Landesweit, Oscar. Bautrupps, Leute vom Katastrophenschutz, Wohltätigkeitsorganisationen, Demonstranten, alles. Die ganze Latte.«
    »Das gefällt mir«, sagte Oscar. »Das gefällt mir sogar sehr. Das ist visionär.«
    »Ich wusste, dass Ihnen das zusagen würde. Halten Sie das für eine glaubwürdige Rückzugsdrohung?«
    »Aber ja«, antwortete Oscar ohne Zögern. »Sicher. Man weiß, dass Sie sich so etwas leisten können. Ein großer Protestmarsch ist sicherlich glaubwürdig. Ein promilitärischer Protest, das klingt prima. Aber ich würde Ihnen gern etwas zu bedenken geben, wenn Sie es hören möchten.«
    »Gewiss doch.«
    »Der Hungerstreik ist sehr gefährlich. Dramatische moralische Gesten sind starker Tobak. Die locken die Haie hervor.«
    »Das ist mir klar und macht mir keine Angst.«
    »Lassen Sie es mich so formulieren, Senator. Sie und Ihre Frau sollten besser

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