Brennendes Land
seit Urzeiten niemand mehr Einblick in die Unterlagen genommen hatte. Sie waren randvoll mit längst vergessenen wertvollen Informationen. »Es war ein schwerer Wahlkampf. Da haben wir uns ein wenig Entspannung verdient. Sie ganz bestimmt.«
»Ja, der Wahlkampf hat mich erschöpft, aber es hat sich gelohnt. Wir haben wirklich gut zusammengearbeitet; wir waren gut organisiert. Wissen Sie, ich arbeite gern in der Politik. Ich gehöre zur Generation der Fünfzig- bis Siebzigjährigen, daher hatte ich nicht viel vom Leben. Nichts ist so geworden, wie ich’s erwartet hatte… Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, und die Netzwerke haben alles aufgesaugt. Aber in der Politik, da hat man einen ganz anderen Eindruck. Man ist nicht bloß ein Blatt im Wind. Ich hatte wirklich das Gefühl, endlich einmal die Welt zu verändern. Anstatt von der Welt verändert zu werden.«
Oscar blickte sie freundlich an. »Sie haben gute Arbeit geleistet, Donna. Sie sind ein Schatz. Wenn man auf so engem Raum beieinander lebt wie wir, wenn man so viel Stress hat und so unter Druck steht, dann ist es gut, wenn man jemanden im Team hat, der so ausgeglichen, so vernünftig ist. So philosophisch, könnte man sogar sagen.« Er lächelte einnehmend.
»Warum sind Sie so gut zu mir, Oscar? Wollen Sie mich feuern?«
»Keineswegs! Ich möchte, dass Sie bei uns bleiben. Zumindest noch einen Monat. Ich weiß, das ist nicht sonderlich verlockend, denn eine so tüchtige Frau wie Sie findet sicherlich leicht eine längerfristige Anstellung. Aber Fontenot bleibt auch bei uns.«
»Tatsächlich?« Sie blinzelte. »Weshalb?«
»Pelicanos, Lana Ramachandran und ich werden schwer schuften… Es gibt hier jede Menge zu tun für Sie. Natürlich wird es nicht so hektisch und anstrengend zugehen wie während des Wahlkampfs, aber das Erscheinungsbild ist doch immer noch wichtig für uns. Sogar hier. Vielleicht sogar gerade hier.«
»Ich könnte schon noch ein Weilchen bei Ihnen bleiben«, meinte Donna gelassen, »aber ich bin nicht von gestern. Da müssen Sie mir schon mehr sagen.«
Oscar klappte das Notebook zu und stand auf. »Donna, Sie haben Recht. Wir sollten ernsthaft miteinander reden. Was halten Sie von einem kleinen Spaziergang?«
Donna schloss den Nähkorb und erhob sich. Sie kannte Oscar mittlerweile recht gut und war froh, an einem seiner vertraulichen Spaziergänge teilzunehmen. Oscar war gerührt von ihrem umsichtigen Verhalten – sie blickte sich immer wieder über die Schulter um, als fürchtete sie, von finsteren Männern in schwarzen Trenchcoats verfolgt zu werden.
»Also, es ist so«, sagte Oscar sachlich. »Wir haben den Wahlkampf gewonnen, und zwar mit Leichtigkeit. Alcott Bambakias ist aber gleichwohl ein Neuling, ein politischer Außenseiter. Auch wenn er demnächst den Amtseid schwören wird, fehlt es ihm nach wie vor an Einfluss und Glaubwürdigkeit. Er muss sich solche Themen aussuchen, bei denen er etwas ausrichten kann.«
»Ja, natürlich.«
»Er ist ein Architekt, mit innovativen Großprojekten kennt er sich aus. Daher liegen ihm Themen aus den Bereichen Wissenschaft und Technik.« Oscar legte eine Pause ein. »Und natürlich die Stadtplanung. Aber die Wohnungsbeschaffung ist derzeit nicht unser Problem.«
»Sondern dieses Labor.«
Oscar nickte. »Genau. Donna, ich weiß, dass es ziemlich prosaisch erscheinen mag, in einem riesigen, luftdicht abgeschlossenen Genlabor zu arbeiten. Verglichen mit dem Niederländischen Kalten Krieg und den Katastrophen in den Rockies ist das hier ein ruhiger Senatsjob. Jedenfalls handelt es sich um eine größere staatliche Einrichtung. Anfangs hat das Labor recht gut gearbeitet: zahlreiche grundlegende Fortschritte auf dem Gebiet der Biotechnik, ein paar gute Starthilfen für die amerikanische Industrie, zumal die Firmen in Louisiana. Aber diese glorreichen Zeiten sind Vergangenheit, und jetzt ist das hier ein staatlich subventionierter Selbstbedienungsladen. Provisionen, Bestechung, Günstlingswirtschaft… Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
Donna wirkte erfreut. »Das klingt so, als hätten Sie bereits angefangen.«
»Na ja… Offiziell arbeite ich für den Wissenschaftsausschuss des Senats. Formal bin ich nicht mehr Bambakias unterstellt. Aber das hat der Senator so arrangiert. Er weiß, dass das Labor mal genau unter die Lupe genommen werden muss. Unser Auftrag besteht also darin, ihm die nötigen Informationen für eine grundlegende Reform zu beschaffen. Wir sollen den
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