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Wald

Wald

Titel: Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Waechter
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PROLOG
     
    Er hatte Ameisen im Arsch.
    Beim Blähen konnte er es deutlich spüren.
    Allerdings gab es im Moment größere Probleme. Viel mehr Sorge bereitete ihm, dass er kopfüber von der Krone eines turmhohen Baumes herab baumelte und sein Herr, der edle Ritter Palamon, ihn unentwegt mit getrockneten Pferdeäpfeln bewarf.
    Sein Glück war, dass der Gefährte auf die Entfernung vom Waldboden zu seiner jetzigen Position nicht sonderlich gut zielen konnte.
    Das Pech war, dass das Astgeflecht, in dem sich sein Fuß verheddert hatte, Anstalten machte unter seinem Gewicht nachzugeben.
    »Friss meinen Dünnschiss, Du furzbeleibte Drachenbrut!«, brüllte der adelige Angreifer, als er zum nächsten Wurf ansetzte.
    »Aber mein Herr! Ich bin es doch --- Alfric! Euer, treuer Diener.«
    Alfric wedelte mit den Armen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Als der Ast ein beunruhigendes Geräusch machte, sah er ein, dass dieses Manöver ein Fehler gewesen war.
    Die unangenehme Erkenntnis begleitete ihn auf seinem tiefen Fall.
    Es ist überhaupt erstaunlich, welche Gedanken einem Menschen in einer solchen Situation durch den Kopf gehen. Alfric dachte an Haferschleim und an die ausladenden Hintern der Küchenmädchen an seinem Heimathof.
    Und wäre nicht auf halber Strecke der breite Zweig gewesen, auf dem er mit dem Ellbogen aufschlug, und am Boden der Kadaver des toten Pferdes, auf dessen aufgeschlitztem Bauch er abprallte – Alfric wäre nur noch ein Häufchen Brei gewesen.
    So hingegen konnte er bereits nach einer dreimüntigen Ohnmacht sein rechtes Augenlied (langsam) wieder öffnen.
    Den edlen Palamon interessierte Alfrics Zustand reichlich wenig. Immer hin schien der Ritter zur Ruhe gekommen zu sein, zumindest widmete er sich nun wieder anderen Feinden.
    Alfric zog sich am Baumstamm hoch und lehnte sich erschöpft zurück. Wie lange sie wohl schon in diesen Furcht einflößenden Wäldern umherirrten? Die Sohlen seiner Ledersandalen waren seit dem Felsenmeer, das sie vor einigen Tagen durchquerten, endgültig durchgescheuert und streiften in Fetzen den matschigen Waldboden. Den nächsten Winter würden er und sein Herr nicht überleben. Und selbst, wenn sie die Höhle des Drachen finden sollten, bevor der nächste Schnee fiel – in diesem Fall würde er zweifellos als Vorspeise für die Bestie enden.
    An manchen Tagen fragte sich Alfric im Stillen, wer ihm eigentlich mehr Angst einjagte – sein Herr Palamon oder der Drache, den er auch nach all der zermürbenden Sucherei noch nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen hatte.
    Und dann, in der vergangenen Nacht – als Palamon beschloss, nun auch noch sein eigenes Ross zu schlachten und zu verspeisen – da war es Alfric beinahe, als wäre ihm im Gesicht des Ritters der Teufel selbst erschienen.
    »Stell dich, Fremder!«, schrie Palamon in die Leere des Waldes, als er auf einen morschen Baumstumpf zustürmte.
    »Herr, spart eure Kräfte. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Und hört auf, den Verrückten zu spielen, edler Ritter!«
    »Pah, edler Ritter. Einen wackeren Krieger nennt man mich!« Palamon rannte zum nächsten Baum und hieb diesem wildschnaubend die Äste mit seinem Schwert ab.
    »Wir müssen weiterziehen, Herr, wenn wir ihn finden wollen.«
    Alfric richtete sich mühsam auf und humpelte zu seinem Herrn.
    »Ihn?« Palamon zeigte auf einen weiteren Baum, ungefähr sieben Fuß zu seiner Rechten. »Den hier? Den schlitzen wir gleich auf!«
    Alfric griff Palamon am Ärmel, doch der riss sich los und deutete auf den nächsten potentiellen Gegner.
    »Oder den! Dem können wir die Kehle durchstechen und ihn dann aufspießen.«
    Wie sollte er seinen rasend gewordenen Herrn bremsen? Wenn er etwas wortgewandter wäre, sicherlich, dann könnte er ihm bestimmt die Realität erklären.
    »Haltet euch doch nicht mit solchen Lappalien auf, Herr! Das ganze Fleisch wäre ein unnötiges Laster. Unser Weg ist so schon schwer genug.«
    »Es könnte mir gar nicht schwer genug sein!«
    Resignierend sammelte Alfric sein Gepäck zusammen.
    »Und dir, Alfric, dir würden ein paar Lasten mehr auch nichts schaden!«
    Palamon brach in ungestümes Gelächter aus, als er seinem Diener auf den nebligen Weg folgte. Es ging bergauf und Alfric stöhnte unter dem Gewicht der Waffen, Taschen und dem großen Korb mit Lebensmitteln, die er zu tragen hatte. Als er sich umdrehte, sah er, dass der Ritter nichts bei sich trug, außer seinem Schwert und einem Stein, den er vom Boden aufgesammelt

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