Brennendes Land
trank Clare im Hotel ein Glas Chablis, während Oscar sich mit einer Club Soda begnügte. Sie saßen an einem kleinen Holztisch, während Musik spielte und sie gezwungen waren, sich vertraulich miteinander zu unterhalten.
»Na schön, Clare. Erzähl mir von Holland. Es muss faszinierend gewesen sein.«
»Das war es anfangs auch.« Sie sah gut aus. Er hatte ganz vergessen gehabt, wie schön sie war. Er hatte sogar vergessen gehabt, dass er einmal die Angewohnheit gehabt hatte, schönen Frauen den Hof zu machen. Als Bambakias’ Mitarbeiterin und Pressebeauftragte in Washington stand Clare weitaus besser da als damals, da sie als unerfahrene Journalistin in Boston gearbeitet hatte. Clare war nach wie vor jung. Er hatte vergessen gehabt, wie es war, sich mit jungen, gut aussehenden, exquisit gekleideten Frauen zu treffen. Er war nie über sie hinweggekommen. Er hatte sich nicht genug Zeit gelassen. Er hatte das Thema einfach verdrängt und sich eine Ablenkung gesucht.
Ihre Lippen bewegten sich noch immer. Er zwang sich, auf ihre Worte zu achten. Sie sprach gerade über ihre kulturellen Wurzeln als Weiße. Europa sei voller Yankee-Überläufer und Emigranten, verbitterte, alternde Anglos, die sich in Bierkellern trafen und darüber klagten, dass ihr Land von einer verrückten Rothaut regiert werde. Europa war für Clare alles andere als romantisch gewesen. Der Teil Europas, der unterging, hatte niemandem viel Romantik zu bieten.
»Aber du warst Kriegsberichterstatterin. Das war doch bestimmt eine großartige Chance für dich.«
»Das macht dir Spaß, nicht wahr?« sagte sie. »Du genießt es, mich zu quälen.«
»Wie?« fragte er bestürzt.
»Hat dir Lorena nicht von meinem kleinen Missgeschick erzählt?«
»Lorena spricht nicht mit mir über ihre Mitarbeiter. Ich gehöre nicht mehr zu Bambakias’ Zirkel. Ich habe selbst kaum mehr Mitarbeiter.«
Sie trank einen Schluck Wein. »Mitarbeiterteams sind bemitleidenswert. Widerwärtig. Für ein bisschen Sicherheit tun die Leute heutzutage alles. Sie begeben sich dafür sogar in Sklaverei. Jeder Reiche kann für ein Almosen seine eigene kleine Gang aufstellen. Das ist Feudalismus. Aber das Land ist so auf den Hund gekommen, dass bei uns nicht mal mehr der Feudalismus funktioniert.«
»Ich dachte, du magst Lorena. Du hast immer gut über sie berichtet.«
»Ach, ich schreibe gern über sie. Aber als Chefin… tja, was soll ich sagen? Lorena ist gut zu mir. Sie hat mich eingestellt, als es mir schlecht ging, sie hat mich ins Spiel gelassen. Sie hat mich wegen der Sache in Holland niemals geoutet. Ich habe einen tollen Job in Washington, ich habe hübsche Kleider und einen Wagen.«
»Also gut. Ich nehm’s dir ab. Erzähl mir, was in Holland passiert ist.«
»Ich habe schlechte Angewohnheiten«, sagte Clare, den Blick auf die Tischdecke gesenkt. »Ich hatte den Eindruck, ich könnte mir mit Sex gute Stories erkaufen. In Boston hat das prima funktioniert! Aber Den Haag ist nicht Boston. Die Niederländer sind anders als die Amerikaner. Sie können sich noch auf was konzentrieren. Und sie stehen mit dem Rücken zur Wand.« Sie wickelte sich eine Strähne um den Finger.
»Tut mir Leid, dass du einen Rückschlag erlitten hast. Ich hoffe, du glaubst nicht, ich wäre dir noch böse.«
»Aber du bist mir böse, Oscar. Du bist eingeschnappt. Du verachtest mich und hasst mich, aber du bist ein so guter Schauspieler, dass du das mir gegenüber niemals zeigen würdest. Du würdest mich notfalls fallenlassen, und du hast mich fallengelassen, aber zumindest würdest du mich nicht kreuzigen. Ich habe den Fehler gemacht zu glauben, alle Politiker wären wie du.«
Oscar schwieg. Sie war kurz davor, ihr Herz auszuschütten. Er konnte nichts dazu tun.
»Ich bekam einen heißen Hinweis auf einen Skandal. Auf einen richtigen Kalter-Krieg-Skandal, eine ganz große Sache. Ich brauchte bloß diesen holländischen stellvertretenden Minister für was auch immer anzuzapfen. Der würde schon alles ausspucken. Denn er war ein Kalter-Krieg-Spion, und er wusste, dass ich wusste, dass er ein Spion war, und ich bin Journalistin, was der Spionage recht nahe kommt. Und er war scharf auf mich. Aber das war okay, denn wenn man sich darauf versteift, kann man sowas aus Männern rausbekommen, weißt du. Das läuft über die Mentor-Schiene ab. Sie sind wie der eigene Onkel oder Lehrer, und man selber hat keine Ahnung, und sie bringen’s einem bei. Man muss sich bloß ein bisschen einwickeln lassen.«
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