Brennendes Wasser
tadelnd ausgestreckter Zeigefinger. Gamay nahm die Hand vom Heft des Messers und schob die Schnauze beiseite.
»Pass gefälligst besser
auf
.« Der Satz entströmte ihrer Atemmaske in Form einer Wolke geräuschvoller Luftblasen. Das schmale Maul öffnete sich zum freundlichen, allerdings scharfzahnigen Grinsen eines Zirkusclowns. Dann drehte das Gesicht des Flussdelphins sich um die Längsachse, so dass es Gamay nun von unten musterte.
Sie musste lachen und klang dabei wie Old Faithful, der bekannteste Geysir im Yellowstone Nationalpark, wenn er kurz vor dem Ausbruch zu gluckern begann. Mit dem Daumen betätigte sie das Ventil an ihrer Tarierweste und ließ Luft in die Kammern strömen. Innerhalb weniger Sekunden durchbrach ihr Kopf wie ein Kastenteufel die glatte Oberfläche des Teichs. Die aufgeblasene Weste hielt sie wie ein Schwimmring in der Schwebe. Gamay lehnte sich zurück, spuckte das Plastikmundstück aus und grinste breit.
Ein kleines Stück neben ihr saß Paul Trout in seinem drei Meter langen Bombard-Schlauchboot. Er überwachte den Tauchgang und war der schaumigen Spur aus Luftblasen gefolgt, die den Weg seiner Frau markierten. Es überraschte ihn, sie so plötzlich aus dem schwarzen Wasser emporschießen zu sehen, und noch mehr verblüffte ihn ihr fröhliches Grinsen. Verwirrt schürzte er die Lippen und neigte in charakteristischer Pose den Kopf, als würde er über den Rand einer unsichtbaren Brille spähen.
»Bist du okay?«, fragte er und sah sie aus seinen großen nussbraunen Augen neugierig an.
»Alles bestens«, sagte Gamay, obwohl das eindeutig nicht die ganze Wahrheit war. Angesichts von Pauls ungläubiger Miene brach sie nun endgültig in lautes Gelächter aus. Sie verschluckte sich an einem Mund voll Wasser, und der Gedanke, sie könnte infolge eines Lachanfalls ertrinken, ließ sie nur umso schallender lachen. Sie steckte sich die Atemmaske zurück zwischen die Zähne. Paul paddelte mit dem Boot näher heran, beugte sich hinaus und hielt ihr die Hand entgegen.
»Bist du
sicher
, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
»Ja, mir geht’s gut«, sagte sie. Nachdem sie sich ein wenig gefasst hatte, spuckte sie das Mundstück abermals aus. Sie musste husten. »Ich sollte wohl besser wieder an Bord kommen.«
Sie hielt sich am Boot fest und reichte Paul zunächst die Tauchausrüstung nach oben. Dann streckte er den Arm aus und zog die einundsechzig Kilo schwere Gamay ohne Anstrengung aus dem Wasser. Mit seinen gelbbraunen Shorts, dem farblich passenden, nach militärischer Fasson mit Schulterklappen ausgestatteten Hemd und dem weichen Popelinhut wirkte er wie ein Angehöriger des altehrwürdigen Explorers’ Club aus viktorianischer Zeit. Der große tropische Schmetterling unter seinem Adamsapfel war in Wirklichkeit eine der farbenfrohen Fliegen, die er so gern trug. Trout legte großen Wert darauf, stets makellos gekleidet zu sein, und sei es in den Tiefen des venezolanischen Regenwalds, wo bereits ein Lendenschurz als förmliche Garderobe galt. Sein stutzerhaftes Aussehen täuschte darüber hinweg, dass er einst als Fischer vor Kap Cod gearbeitet und während dieser Jahre unzählige schwere Kisten voller Fang geschleppt hatte. Die harten Schwielen in den Handflächen waren inzwischen verschwunden, doch die Muskeln unter der Kleidung mit den messerscharfen Bügelfalten waren so stark wie eh und je, und auch die günstige Hebelkraft seines zwei Meter drei messenden Körpers wusste Paul geschickt zu nutzen.
»Laut Messung ist dieser Teich nur neun Meter tief, also dürfte dein Zustand sich wohl kaum durch eine Stickstoff Vergiftung erklären lassen«, stellte er auf seine typisch analytische Weise fest.
Gamay nahm das Band ab, mit dem ihr schulterlanges Haar zusammengehalten wurde, dessen dunkelrote Farbe ihren Vater, einen großen Weinkenner, einst bewogen hatte, seine Tochter nach einer Traubensorte aus dem Beaujolais zu benennen.
»Welch überaus scharfsinnige Bemerkung, mein Lieber«, sagte sie und wrang sich das Wasser aus den Haaren. »Ich musste lachen, weil ich mich eigentlich für die Beobachterin gehalten habe und doch in Wahrheit die Beobachtete war.«
Paul starrte sie verdutzt an. »Na, da bin ich aber erleichtert.
Jetzt
verstehe ich natürlich
alles
. Beobachterin und Beobachtete, so so…«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Cyrano der Delphin hat sich an mich herangeschlichen und mich in den Po gezwickt.«
»Ich kann’s ihm nicht verdenken.« Er musterte ihren
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