Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)
rund 52 Prozent erst 17 Jahre alt oder jünger. Ägypten nahm bislang 110 000 Flüchtlinge auf, 168 000 der Irak, 515 000 Jordanien, 716 000 der Libanon und 460 000 die Türkei. Deutschland will 5 000 syrische Flüchtlinge aufnehmen.
Bereits über 100 000 Menschen wurden nach UN-Schätzung in Syrien getötet. 6 500 davon waren Jugendliche und Kinder. Den anhaltenden Kämpfen und Anschlägen fallen monatlich 5 000 bis 6 000 Menschen zum Opfer.
In Schweden bekommt seit dem 4. September 2013 jeder syrische Flüchtling eine zeitlich unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Bis Mitte 2013 lebten bereits 14 700 syrische Flüchtlinge in Schweden.
Außerdem gibt es noch fast 5 Millionen Binnenfl üchtlinge , also Flüchtlinge, die in Syrien verbleiben. Diese werden kaum versorgt, weil die Hilfsorganisationen sie nicht erreichen können.
Die UNHCR benötigt Mitte 2013 1,1 Milliarden Dollar Hilfsgelder, hat aber nur 548 Millionen erhalten. Etwa 40 Prozent davon kommen aus den USA, Deutschland hat 200 Millionen Euro zugesagt.
Quelle: UNHCR (Flüchtlingsorganisation der UNO)
Der Ort Dschdeit Artus – nahezu menschenleer. Von den einst 20 000 Einwohnern sollen nur noch 1 500 hier leben. Die übrigen geflohen. Dschdeit Artus – eine Kleinstadt der Assadgegner.
Die UNO-Beobachter bestätigen nicht, dass es hier ein Massaker gegeben hat. Doch einzelne Offiziere scheinen keinen Zweifel daran zu haben. Sie machen solche Andeutungen. Immer wieder nennen die Einwohner, die wir anonym befragen, die Shabiha-Miliz als Täter. Das sind Assads Todesschwadrone.
Dann Anruf vom Informationsministerium. In einem Vorort von Damaskus sei ein Massaker entdeckt worden. Begangen von den Aufständischen, die diesen Stadtteil besetzt hatten. Die Leichen in einer Müllkippe halb verschüttet. Die ganze Wahrheit kennen wir auch hier nicht. Nur so viel: Dieser Krieg nimmt keine Rücksicht auf Zivilisten, auf keiner Seite.«
Auch hier konnten wir nicht die ganze Wahrheit herausfinden, vielleicht noch nicht einmal fünfzig Prozent. Spuren, die auf ein Massaker hindeuten, haben wir gesehen und gefilmt. Dass sich Rebellen aber tatsächlich unbewaffnet in die Nähe von Armeestellungen wagen, ist eher unwahrscheinlich. Im Gegenteil. Einen Rachefeldzug habe die Armee in Dschdeit Artus unternommen, vermutet die UNO, einen Rachefeldzug in die von bewaffneten Rebellen besetzten Dörfer, und sich dann nach ein paar Tagen wieder zurückgezogen, so wie sie es in vielen Regionen macht. Dabei sind vermutlich Zivilisten wie auch bewaffnete Rebellen ums Leben gekommen. Möglicherweise waren Mitglieder der Shabiha-Miliz an den Morden beteiligt.
Doch Genaueres konnten die UN-Offiziere auch hier nicht ermitteln. Immer wieder klagen sie, sie seien viel zu schlecht ausgerüstet, um solche Massaker überzeugend zu untersuchen. Tatsächlich beobachten wir, dass die Blauhelmsoldaten mit Schreibblock, Plastikkugelschreibern und Pocketkamera festhalten müssen, was sie für Beweise halten. Über sensible Messgeräte verfügen sie nicht. Bei den meisten Gesprächen, die sie auf der Straße mit Augenzeugen führten, standen syrische Offizielle daneben, die aufmerksam mithorchten. Außerdem müssen die UN-Kommandanten jede ihrer Missionen beim syrischen Geheimdienst anmelden und den eigenen Konvoi von bewaffneten Geheimdienstlern begleiten lassen. Vor den weißen Geländewagen mit der Aufschrift UN fahren immer einige schwarze Autos der Sicherheitskräfte. Jeder in Syrien kennt diese PKWs.
Annan-Plan und die UN-Mission UNSMIS
Der Sechs-Punkte-Plan von KofiAnnan
Der Sondergesandte der UNO und der Arabischen Liga, KofiAnnan, hatte mit den beteiligten Parteien einen Sechs-Punkte-Plan ausgehandelt, um das Blutvergießen zu beenden. Auch die Führung in Damaskus hatte ihm am 25. März 2012 zugestimmt:
1 – Die Regierung in Damaskus verpflichtet sich, in Zusammenarbeit mit dem Sondergesandten Annan einen Politischen Dialog mit der Opposition aufzunehmen. Dabei sollen die Forderungen der Demonstranten zur Sprache kommen. Die Opposition dringt auf Freiheit und politische Mitsprache. Die Regierung soll für den Dialog einen bevollmächtigten Gesprächspartner benennen.
2 – Die Regierung muss eine Überwachung des Waffenstillstands durch die Vereinten Nationen zulassen. Zum Schutz der Zivilbevölkerung und zur Stabilisierung des Landes sollen alle Beteiligten die bewaffnete Gewalt in jeglicher Form beenden. Die Armee muss aus den Wohnvierteln abgezogen werden.
3 – In den
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