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Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Titel: Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Armbruster
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Partei. Eine Überraschung für alle. Der engste europäische Verbündete lässt die USA im Stich.
    Am 31. August noch eine handfeste Überraschung. An diesem Wochenende waren die seit einer Woche angekündigten amerikanischen Raketenangriffe gegen syrische Militäreinrichtungen fast überfällig. Zehntausende Syrer, besonders aus dem Großraum Damaskus, hatten sich schon im Libanon vor den Luftangriffen in Sicherheit gebracht. Auch das Regime bereitete sich auf die Bombardierung vor, verlegte Raketenstellungen, versuchte Kampfflugzeuge in Sicherheit zu bringen, soll politische Gefangene als menschliche Schutzschilde in Kasernen und auf Flugplätzen einquartiert haben. Sogar Vorräte an Chemiewaffen habe er in Wohngebieten deponierten lassen, behaupten Oppositionelle. Stimmt das, dann setzt Assad seine eigenen Bürger zum Schutz dieser Massenvernichtungswaffen ein. Im syrischen Staatsfernsehen: nichts als Durchhalteparolen.
    Am Abend mitteleuropäischer Zeit tritt der amerikanische Präsident dann vor die Presse. »Ich habe beschlossen, dass die USA militärische Maßnahmen ergreifen sollten«, verkündet er im Rosengarten des Weißen Hauses, es werde ein begrenzter Militärschlag sein ohne Einsatz von Bodentruppen. 1 429 Syrer seien durch die Chemiewaffen gestorben, darunter mindestens 426 Kinder. Mehr also als die Opposition bisher behauptet hatte. Bis dahin nichts wirklich Neues. Den Militärschlag hatte er schon die ganze Woche über angekündigt, von der Schuld Assads war er von Anfang an überzeugt gewesen. Doch dann kommt die Überraschung. Ehe er den Angriffsbefehl gebe, wolle er erst die Volksvertreter im Kongress fragen. Er wollte so die kriegsmüden Amerikaner stärker in diese politische und militärische Entscheidung von erheblicher Tragweite einbinden. Der Militäreinsatz aber war damit erst einmal um mindestens vierzehn Tage vertagt.
    Assad triumphiert. Obama, der Zauderer, der große Töne spuckte, sich aber nicht traute, das starke Syrien anzugreifen. So die Propagandasprüche aus Damaskus. Gleichzeitig warnte Assad, die Region sei ein Pulverfass: »Die ganze Welt wird die Kontrolle über die Situation verlieren, wenn das Pulverfass explodiert. Chaos und Extremismus werden sich verbreiten«, drohte der syrische Alleinherrscher.
    Dann der 9. September. Auf dem G20-Gipfel in Petersburg wenige Tage zuvor hatten sich Obama und Putin nicht auf ein gemeinsames Vorgehen gegen Assads Chemiewaffen einigen können. Für Obama schien es nur noch die Alternativen zu geben: Militärschlag in Syrien oder eine Blamage im Kongress. So stellte sich seine Lage zum Beginn dieser zweiten Septemberwoche dar. Dann die Sensation an jenem Montag. Eine Bemerkung seines Außenministers Kerry auf einer Pressekonferenz in London, eher unbedacht geäußert denn gezielt lanciert. Ob der Luftschlag gegen Syrien noch abgewendet werden könnte, hatte ein Journalist gefragt. Assad könne ja seine Chemiewaffen internationaler Kontrolle unterwerfen, anwortete Kerry beiläufig. Als echtes Ultimatum hatte er es aber wohl nicht gemeint, fügte er doch an: »Das wird er nicht machen.« Doch die Russen erkannten ihre Chance, den drohenden Angriff abzuwenden und ihren Assad zu retten. Nach wenigen Stunden verkündete der russische Außenminister Lawrow die Überraschung des Tages, Assad sei zur Vernichtung seiner Chemiewaffen bereit. Sein Besuch, der syrische Außenminister Al Mualim, widersprach nicht. Damit war dem russichen Außenminister gelungen, womit keiner mehr gerechnet hatte: Assad lenkt ein. Der Interventionsgrund der USA war erst einmal hinfällig, Assads militärische Überlegenheit gerettet. Und Obama? Er musste sich nun keiner Kongressabstimmung mehr aussetzen, deren Ausgang ohnehin höchst unsicher war. Allein mit seiner Drohkulisse hat er dem syrischen Machthaber die fürchterlichste seiner Waffen entrissen. Zumindest sieht es Mitte September so aus.
    Ein Spiel mit lauter Siegern also? Obama und Putin sehen sich so, Assad hat wertvolle Zeit gewonnen, außerdem ist sein Arsenal mit konventionellen Waffen gut gefüllt. Den Krieg kann er also auch ohne Chemie weiterführen.
    Die syrische Opposition schäumte vor Wut und Enttäuschung über die – vorläufige – Absage der Raketenintervention. Sie gehört wohl zu den Verlierern, hatte sie doch auf eine deutliche Schwächung Assads durch die Luftangriffe gehofft. Diese wären vermutlich nicht kriegsentscheidend gewesen, hätten ihnen aber immerhin eine Atempause

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