Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Harry Keogh leise zu sich selbst.
Er stand im Schatten der Außenmauer und beobachtete die drei Personen, die auf den Hubschrauber zustolperten. Er bemerkte sehr wohl, wie die beiden männlichen Gestalten – der eine wie ein verkleinertes Zerrbild eines Mannes, der andere wie ein massiges Raubtier – die Frau grob und fast mit Gewalt in den Hubschrauber zerrten. Dann hob die Maschine ab und ließ Harry allein mit der Nacht und seinem Werk der Zerstörung. Doch wie ein Nachbild überlagerte der Anblick dieser beiden Männer selbst die lodernden Flammen.
Harry wusste nicht, wer sie waren, aber seine Intuition sagte ihm, dass gerade diese beiden dem Inferno am allerwenigsten hätten entrinnen dürfen! Er musste sich mit Carl Quint und Felix Krakovic über sie unterhalten …
EPILOG
Drei Tage später standen Ivan Gerenko, Theo Dolgikh und Zek Föener an der zerklüfteten Klippe über jener Kluft in den Karpaten und blickten betrübt den großen Schuttberg an, aus dem nur noch die Fundamente der alten Burgmauern herausragten. Die Szenerie wirkte so desolat, wie es typisch für diese Berge war: Überall sah man zerrissene Kämme und Gipfel, der Wind von der Ebene her heulte und klagte, und Raubvögel kreisten langsam in einem mit Wolkenstreifen durchsetzten Himmel. Es war Abend und das Tageslicht wurde bereits schwächer, aber Gerenko hatte darauf bestanden, den Ort noch zu besichtigen. Sie konnten zwar an diesem Abend nichts mehr unternehmen, aber zumindest würde er einen Eindruck davon gewinnen, was am kommenden Tag getan werden musste.
Gerenko befand sich hier, weil Leonid Breschnew ihm eine Woche Zeit gegeben hatte, um eine definitive Antwort auf die Frage zu finden, was hinter der vollständigen Zerstörung von Schloss Bronnitsy steckte. Yuri Andropow wollte ebenfalls Bescheid wissen, und so befand sich auch Theo Dolgikh hier. Und Zek war dabei, damit Gerenko sie im Auge behalten konnte. Sie behauptete, ihre Gabe im nächtlichen Inferno am Schloss eingebüßt zu haben, und, was noch schlimmer war, sie habe auch keinerlei Erinnerungen mehr an alles, was sie von Alec Kyle in Erfahrung gebracht hatte. Alles sei ausgebrannt und verloren. Gerenko zweifelte jedoch daran. Deshalb konnte er auch nicht sicher sein, dass sie – hätte er sie allein in Moskau gelassen – den Mund gehalten hätte.
Aber noch wichtiger war ihm, vorausgesetzt sie log wirklich, dass er die beste Nahbereichstelepathin der Welt dabeihatte. Falls ihnen von irgendwoher Gefahr drohte, würde Zek Föener das wahrscheinlich als Erste wissen. Wenn er sie im Auge behielt, würde er an ihrem Verhalten ablesen können, ob alles in Ordnung war. Nach den Ereignissen am Schloss Bronnitsy musste man die persönliche Sicherheit über alles stellen, und ein Geist wie der Zek Föeners konnte dabei von größter Wichtigkeit sein.
»Nichts«, sagte sie gerade, wobei sie die grauen Ruinen mit finsterer Miene und gerunzelter Stirn anblickte. »Gar nichts! Aber selbst wenn es hier etwas zu belauschen gäbe, könnte ich es im Moment nicht wahrnehmen. Jetzt nicht. Ich habe Ihnen ja gesagt, Ivan, dass meine Gabe zerstört ist. Ich bin in diesem Inferno geistig ausgebrannt, und jetzt … kann ich mich nicht einmal mehr daran erinnern, wie es war.«
Sie sagte wenigstens zum Teil die Wahrheit; ihre Gabe funktionierte zwar sehr gut, was sie an dem kochenden Aufruhr in Gerenkos Verstand und dem stinkenden Pfuhl der Gedanken Theo Dolgikhs merkte, aber sonst konnte sie tatsächlich nichts feststellen. Nur ein Necroscope kann mit den Toten sprechen oder ihren Gesprächen untereinander lauschen.
»Nichts«, wiederholte Gerenko mit rauer Stimme. Er trat heftig in den Schuttberg, sodass Sand und Steinchen wegspritzten. »Dann ist dies ein schwarzer Tag für uns.«
»Vielleicht für Sie, Genosse«, warf Dolgikh ein, der den Mantelkragen hochgeschlagen hatte. »Aber Ihnen ergeht es immerhin besser als dem Generalsekretär, der eine ganze Menge verloren hat. Andropow hat vielleicht nichts gewonnen, aber sicherlich auch nicht viel verloren. Er wird es wohl kaum bemerken. Und er wird es auch nicht an mir auslassen, denn das ergäbe keinen Sinn. Was das E-Dezernat angeht: Andropow hat sich jahrelang mit Euch ESPern herumgeschlagen und nun seid Ihr am Ende. Er hat sich nicht einmal bemühen müssen. Also wird er keine Träne vergießen, darauf haben Sie mein Wort!«
Gerenko wandte sich ihm zu. »Sie Narr! Also werden Sie jetzt wieder als einfacher Killer arbeiten, ja? Und wohin
Weitere Kostenlose Bücher