Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
ein. Das Ding ist jetzt auf den Satellitenschirmen, auf denen des AWACS und auf dem Bodenradar zu sehen. Es gibt noch keine Sichtungen über das menschliche Auge, aber alles andere. Den Spionagesatelliten zufolge könnte es ein dichter Vogelschwarm sein – aber welche Vögel fliegen schon mit fünfhundert Stundenkilometern in acht Kilometern Höhe über die Arktis? Ein Zusammenstoß mit Vögeln könnte natürlich die Migs außer Gefecht gesetzt haben, andererseits ... Die hochgeheimen High-Tech-Radaranlagen entlang der alten DEW-Linie melden, es handle sich entweder um ein großes Flugzeug oder ... vielleicht eine Raumstation, die aus ihrem Orbit gefallen ist? Und sie behaupten auch, dass der Metallgehalt unglaublich niedrig sei – das UFO enthalte nämlich kein Metall! Aber die Nachrichtendienste haben keinerlei Informationen über ein Flugzeug – geschweige denn eine Raumstation –, das siebzig Meter lang und aus Segeltuch gemacht ist. Das AWACS meldet, dass das Ding in einer Reihe von Schüben fliegt, wie ein riesiger fliegender Oktopode. Und im Großen und Ganzen hat das AWACS Recht.
Die amerikanischen Abfangjäger sind jetzt seit fast einer Stunde in der Luft. Mit einer Geschwindigkeit von beinahe Mach 2 haben sie von den Belcherinseln aus die Hudson Bay überquert und sind jetzt an einem Punkt ungefähr dreihundert Kilometer nördlich von Churchill. Sie haben gerade das AWACS überholt und es seit ein paar Minuten hinter sich gelassen. Das AWACS hat ihnen mitgeteilt, dass ihr Ziel direkt vor ihnen liegt und jetzt auf eine Höhe von dreitausendfünfhundert Metern hinabgestiegen ist. Und dann endlich, so wie die Migs vor ihnen, erblicken sie den Eindringling.
Das war die Geschichte gewesen, das Szenario, das der CIA und das MI6 vor Simonow ausgebreitet hatten, bevor sie ihm den Film zeigten, der von dem AWACS aufgenommen worden war. Und als der wortführende Offizier diese vier Worte gesprochen hatte, »erblicken sie den Eindringling«, da war der Film angelaufen. Alles sehr dramatisch, und das mit Recht ...
Erblicken sie den Eindringling, dachte Simonow jetzt. Die Worte schmeckten so bitter auf seiner Zunge, dass er sie beinahe laut ausgespuckt hätte. Bei Gott, ja! Darum geht es in diesem Spiel, oder? Beim Geheimdienst, bei der Abwehr, bei der Spionage: Den Eindringling finden! Und alle Seiten spielen das Spiel hervorragend, einige vielleicht ein bisschen besser als die anderen. Hier und jetzt war er der Eindringling: Michael ›Jazz‹ Simmons, alias Mikhail Simonow. Nur hatte man ihn noch nicht gefunden.
Dann, als er seine Konzentration wieder dem Geschehen in der Schlucht zuwandte, fühlte oder hörte er etwas, das da nicht sein sollte. Von einem Punkt irgendwo hinter und über ihm kam das Klicken eines fallenden Steinchens, und dann leisere Geräusche, als der Stein auf seinem Weg die Felswand hinunter kleinere Steinchen mit sich riss. Das letzte Stück des Aufstiegs hierher führte über eine steile glatte Felsplatte, es war eher ein steiles Bergaufgehen als wirkliches Klettern. Dort hatte eine Menge loser Steine und anderes Geröll herumgelegen. Vielleicht hatte er beim Vorübergehen einen Stein so angestoßen, dass der jetzt nur noch auf einer Kante gelegen hatte, und ein scharfer Windstoß hatte ihn nun heruntergeweht. Simonow wollte glauben, dass das der Grund war, aber ...
Was, wenn da etwas anderes war? Er hatte seit einiger Zeit das Gefühl – eine Art vager, unbegründbarer Verdacht –, dass irgendwer, irgendwo, sich seiner bewusst war. Jemand, bei dem es ihm lieber wäre, wenn er nichts von ihm wüsste. Wahrscheinlich war das ein Gefühl, mit dem Spione leben mussten. Vielleicht fing er auch nur an, sich Schwierigkeiten einzubilden, weil bisher alles so glatt gelaufen war. Er hoffte, dass es wirklich nur das war. Aber um sicherzugehen ...
Ohne sich umzusehen oder seine Position stark zu verändern, knöpfte er seinen Anorak auf, griff hinein und zog eine kompakte, bösartig aussehende Automatik mit einem kurzen Lauf heraus. Der stummelige Schalldämpfer war schon aufgeschraubt. Er kontrollierte das Magazin und ließ es lautlos wieder in den Griff gleiten. All das tat er mit einer Hand, mit oft geübter Routine, ohne das Filmen der Lastwagen unten in der Schlucht zu unterbrechen. Vielleicht würden die letzten paar Bilder ein wenig verwackelt sein. Das war kein Verlust. Simonow war zufrieden mit dem, was er bereits hatte.
Die winzige Kamera an Simonows Nachtsichtgerät klickte ein
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