094 - Die Schleimigen von Ghost Valley
Die junge Frau lauschte und hielt den Atem an. Im Korridor war
kein Geräusch zu vernehmen, und niemand hielt sich zu diesem Zeitpunkt mehr
dort auf.
Die Büros und Laborräume waren verlassen. Das schmale, niedrige
Gebäude sah von weitem aus wie ein Lagerschuppen, der mitten in der sandigen
Landschaft errichtet worden war. Mehrere Nebengebäude existierten ebenfalls. In
ihnen lebten die Wissenschaftler und Mitarbeiter der Firma, die sich mit
Genforschungen befassten .
Die Firma hieß Bio- Com und
stellte Präparate zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung her. Die
Genforschungen, die in diesem weit von jeglicher Zivilisation entfernt
liegenden Werk betrieben wurden, sollten bedeutsam sein für die Bekämpfung der
Zuckerkrankheit und des Krebses. Das alles klang sehr gut. Aber in der
Redaktion der Signal , einer wöchentlich erscheinenden Zeitschrift, die
kritisch zu politischen und wirtschaftlichen Problemen Stellung nahm, war man
nicht ganz so gutgläubig. Berry Helman, ein Mann, der eine Nase für nicht
astreine Geschichten hatte, war ein Tipp zugetragen
worden, wonach in diesem einsamen Werk in Nevada, wo es außer sommerlicher
Hitze, trockenem Sand und alten, verfallenen Westernstädten aus der wilden Zeit
des Landes nichts gab, einiges nicht stimmen sollte. Helman vermutete, dass die Bio- Com noch
anderes erforschte und entwickelte, von dem nichts in die Öffentlichkeit
dringen durfte. Wurden hier verbotene und lebensgefährliche Experimente
durchgeführt? Vielleicht sogar mit militärischem Hintergrund? Signal wollte
mehr darüber wissen und Berry Helman war bemüht, die Grundlagen zu beschaffen.
Vor drei Wochen meldete er sich ab. Offiziell wollte er eine Reise
an der Westküste entlang unternehmen. In Wirklichkeit aber war es seine
Absicht, sich das Werk in der Wüste Nevadas aus der Nähe zu betrachten. Was von
dort aus bisher an die Öffentlichkeit drang, war nicht der Rede wert. Nur eine
einzige Person weihte Berry Helman in seine wahren Pläne ein.
Das war Mary Shealan . Mit der
dreiunddreißigjährigen Journalistin, die ihren Beruf von der Pike auf gelernt
hatte, verband ihn seit längerem eine tiefe Freundschaft. Nach Helmans Abreise
hatte Mary jeden Tag auf eine Nachricht, auf ein Lebenszeichen gewartet. Aber
der Freund und Kollege hatte sich nicht gemeldet. Helmans Auto war an einer
abschüssigen und als gefährlich bekannten Kurve an der Westküste ausgebrannt
aufgefunden worden. Im Innern des ausgeglühten Fahrzeugwracks hatte man die zur
Unkenntlichkeit verkohlte Leiche entdeckt. Das Wrack war Helmans Wagen, der
Tote konnte also auch nur der Reporter sein. Schließlich war er auch an der
Westküste unterwegs gewesen, wie jedermann bestätigte. Nur eine Person wusste von Anfang an, dass hier
etwas nicht stimmte: Mary Shealan . Sie kannte als
Einzige den wahren Grund der Fahrt und war darüber informiert, dass Helman niemals zur Westküste wollte, sondern in
Wirklichkeit weiter ins Landesinnere.
Wie später dann sein Wagen und die Leiche an die Westküste
gelangten, war und blieb für Mary Shealan ein Rätsel.
Sie sagte über ihren Verdacht, dass hier etwas faul
sein musste , jedoch kein Wort, denn sie war es
gewohnt, seltsamen Ereignissen selbst auf den Grund zu gehen. Es gab für sie
nur eines: Sie musste sich auf den Weg machen und
herausfinden, was Berry wirklich zugestoßen war. Jemand hatte Grund, seinen Tod
als einen tragischen Unfall hinzustellen. Helman schien mit seinem Verdacht ins
Schwarze getroffen zu haben. Mary Shealan ergriff die
Initiative.
Als May Glanders , die eine Reportage
über wissenschaftliche Neuerungen und Entdeckungen zu schreiben beabsichtigte,
meldete sie sich telefonisch bei Bio- Com an.
Sie erhielt höflich und schnell von der Geschäftsleitung eine Zusage. Damit war
eine Hürde beseitigt. Als Nächstes war es wichtig für Mary Shealan ,
ihre wahre Identität zu verschleiern. Bei Bio- Com durfte
niemand wissen, wer sie wirklich war und dass sie
Berry Helman sehr gut kannte. Sie behauptete, freischaffende Journalistin zu
sein. Sie veränderte ihr Äußeres.
Von Natur aus war sie mittelblond und ließ das Haar halblang. Nun
trug sie eine schwarze Langhaarperücke, hatte die Augenbrauen dicker
nachgezogen, als es sonst ihre Art war, und lange, künstliche Seidenwimpern
hinzugefügt. Sie kleidete sich auffällig, und selbst ihre besten Freunde und
Bekannten hätten sie in dieser Aufmachung als Mary Shealan nicht erkannt.
Ihre Maskerade war perfekt. Die
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