Bridget Jones 03 - Verrückt nach ihm
Bekanntschaft mit einer älteren Partnerin dauerhaft zu profitieren. Sie haben die entscheidenden Jahre ihres Lebens vertan und bleiben irgendwann sexuell erschöpft und mit zerstörtem Selbstbewusstsein zurück, ohne eigene Familie, ohne richtigen Beruf. Natürlich gibt es Gegenbeispiele wie Ashton Kutcher, die solche Beziehungen als Steigbügelhalter für die eigene Karriere nutzen konnten. Aber die meisten werden abgelegt wie ein altes Kleidungsstück und finden sich auf einmal in kleinen verdreckten Apartments wieder, werden zum Gespött von Kollegen, Freunden und der Familie. Man hat ihnen nie verziehen, dass sie mit einer Frau liiert waren, die ihre Großmutter hätte sein können, und das bekommen sie nun zu spüren. Ausgestoßen und verachtet könnten sie kaum tiefer sinken, und alles, was sie sich vielleicht erhofft hatten, ist für immer dahin …
Ich sackte am Küchentisch zusammen und bettete den Kopf auf die Arme. Diese dumme Ziege von Ellen Boschup. Der Frau ist offensichtlich nicht klar, welchen Schaden sie mit ihren vorschnellen Verallgemeinerungen anrichtet. Na ja, sie braucht halt jede Woche ihr Thema, da ist alles recht, notfalls wird ein Problem erfunden. Ich sehe sie richtig vor mir in ihren Redaktionskonferenzen. »Gegessen wird zu Hause? Das Verschwinden des bürgerlichen Esszimmers.« Prima, kommt wie gerufen. Es darf aber auch gerne das Gegenteil sein. »Die neue Mitte: Warum Esszimmer wieder Konjunktur haben.« Und dann tut man so, als hätte man sich jahrelang intensiv mit dem Thema befasst. In Wirklichkeit geht es nur um einen kleinen Beitrag von 1.200 Wörtern, abzuliefern spätestens zwei Tage vor Redaktionsschluss. Dass sie damit anderer Leute Liebesleben beschädigen, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Sie haben nur irgendwo eine Idee aufgeschnappt, garnieren sie mit ein paar unscharfen Fotos aus Klatschzeitschriften wie der Heat , und fertig ist die Laube.
»Soll ich mit Mabel zum Arzt gehen?«, fragte Chloe.
»Nein, das … das mache ich schon«, sagte ich. »Bitte schreib der Schule eine SMS , dass ich jeden Moment da bin.«
Ich ging auf die Toilette und setzte mich erschöpft hin. In meinem Kopf rasten die Gedanken. Wie sollte ich jetzt mit alledem umgehen? Wo anfangen? Da war einmal Roxsters Ratlosigkeit, dann dieser elende Artikel, dann diese niederträchtige Mail, die so tat, als sei ich gar kein richtiger Autor, nicht zu vergessen Mabels entzündeter Nagel. Okay, eins nach dem anderen. Mabels Infektion hatte auf jeden Fall Vorrang, aber in meinem Zustand kann ich mich nicht in der Schule sehen lassen. Wenn ich sie so vermöhrt und durchgedreht von der Schule abhole oder zum Arzt bringe, verständigen sie umgehend das Jugendamt, und Mabels »Inobhutnahme« ist nur eine Frage von Stunden.
Also erst einmal Ruhe ins Spiel bringen, ich brauche einen klaren Kopf. Steht schon genau so in Wie man dem Wahnsinn entgeht : Der menschliche Verstand ist plastisch , also veränderbar.
Ich holte mehrmals tief Luft und ließ den Luftstrom tönen: »Maaaaa …« Mein Gebet an die Allmutter des Universums.
Dann betrachtete ich mich im Spiegel, und was ich sah, sah nicht gut aus. Ich wusch mir das Gesicht, strich mir mit den Fingern durch die Haare, verließ die Toilette und ging ganz gnädige Frau an Chloe vorbei nach unten. Dass ich um elf Uhr morgens immer noch mein Nachthemd trug oder dass Chloe die Anrufung der Allmutter mitgekriegt hatte, überspielte ich, na ja … gekonnt.
13.00 Uhr. Mabel fand das mit dem Nagel in erster Linie aufregend. Es war auch längst nicht so schlimm, wie sie in der Schule getan hatten. Und doch, einer guten Mutter wäre etwas aufgefallen, wenn »diese Entzündung schon seit Tagen bestand«, angeblich.
Beim Arzt stand ich geschlagene vier Minuten am Empfangstresen, ohne dass es die beiden Rezeptionistinnen für nötig hielten, sich meiner anzunehmen. Im Gegenteil, sie tippten seelenruhig in ihre Computer, entweder weil ich a) gar nicht da war oder b) weil sie sich gerade mit einem Stück Besinnungspoesie beschäftigten, das wichtiger war als jedes andere menschliche Leid. Derweil trampelte Mabel fröhlich im Wartezimmer umher und sammelte die Broschüren vom Wandhalter ein.
»Ich lese jetzt!«, erklärte sie und tat es: »Go … no … nor … höhö …«
»Fein machst du das, mein Schatz«, sagte ich, setzte mich und suchte auf meinem iPhone nach frischen SMS von Greenlight oder Roxster oder überhaupt jemandem, der jetzt Trost spenden konnte.
»Go
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