Bring mich heim
hatte.
Ich wusste es selbst nicht. Ich war ahnungslos. Jedoch, ohne einen Versuch gestartet zu haben, würde ich die Antwort nie bekommen.
Ich musste es probieren.
Es war nur ein Monat. Ein Monat durch Europa. Mit dem Zug. Alleine. Nur ich. Es war höchste Zeit, dass ich hier raus kam.
Meine Mutter ließ mich aus der Umarmung und strich mir sanft über mein zu kurzes Haar. Ich zuckte sofort zusammen. Alle Alarmglocken schrillten in mir. Mein Herz pumpte auf der Stelle vermehrt Blut durch meine Adern. Mein Körper schaltete sich in Alarmbereitschaft. Diese Berührung ... ich mochte sie nicht ... ich hasste mein Haar. Es erinnerte an Babyhaare. Dünn, ungleichmäßig, ohne Schnitt. Für gewöhnlich versteckte ich sie unter einer Beanie. Nur zu Hause trug ich sie nicht. Meine Eltern wussten, wie ich aussah, sie waren die Einzigen, vor denen ich mich nicht zu verstecken brauchte. Vor den anderen Blicken verbarg ich mich lieber. Es fühlte sich oft so an, als ob man ausgezogen wurde. Einige warfen mir mitleidige Blicke zu. Am besten sollte niemand in meine Richtung sehen. Wenn ich mich nicht ansehen wollte und konnte, hatte niemand das Recht auch nur einen minimalen Blick in meine Richtung zu werfen. Das Verschwinden im Nichts war meine beste Lösung. Leider verlief dieser Plan nicht nach meinem Wunsch.
Ich vermisste mein altes Leben. Mein langes blondes Haar. Strohblond, wie das meiner Mama.
Wie oft hörte ich Freundinnen von mir sagen, sie hätten auch gern eine Mähne, wie meine es war. Man konnte meinen, sie hatten einen Neid. Hatten ...
Niemand hatte den mehr. Niemand außer mir. Leider war keiner mehr in meiner Umgebung, auf den ich neidisch sein konnte. Meine Freunde gingen alle. Einer nach dem anderen. Sie entfernten sich weit weg von mir. Die Situation wurde dadurch nicht einfacher.
Ich vermisste jemanden zum Anlehnen. Jemanden, der mich unterstützte außerhalb der Familie. Die Wärme von Freunden, das Lachen von Freunden.
In dieser Zeit mit mir befreundet zu sein, fiel niemandem leicht. Aber ich dachte immer, Freunde waren dazu da, um einem aus solchen Situationen zu retten? Sie sollten einem beistehen. Aber das dachte ich nur ...
In diesen Lebenslagen merkte man, wer die wahren Freunde waren. Nie hätte ich mir gedacht, dass sie mich im Stich ließen. Alle ... Meine besten Freunde oder doch nur falsche beste Freunde. So viel gemeinsam erlebt und nichts wert.
Ich hätte ihnen meinen Beistand gegeben. Ich hätte es mit ihnen durchgestanden.
Es war zu viel für sie. Es war zu viel für mich.
Und Chris ...
Kapitel 3 1/2
Mia – Schmerz lässt nicht heilen
Graz, August 2011
Heute war ein guter Tag. Ich ging sogar die Stufen herab und saß in der Küche. Das geschah in den letzten Wochen äußerst selten. Jeder wollte mich hier unten sehen. Jeder versuchte mich aufzubauen. Jedoch wussten sie gar nicht, wie es war. Geschweige denn, was in mir vorging.
Ich hasste diese Frage »Wie geht es dir heute?« Wunderbar, danke. Es ging mir wohl nie besser . Sie sollten es lassen. Alle. Ich gab ihnen doch keine Antwort. Was brachte es außer noch mehr Kummer für die anderen.
Aber heute war ein guter Tag. Es herrschte Stille. Kein Familienmitglied war daheim, um mich zu fragen oder mit mir zu sprechen. Mittlerweile begannen die Vormittage, meine liebste Tageszeit zu werden. Das gesamte Haus war leer. Niemand war da. Es herrschte eine Totenstille. Nur das Ticken der großen Pendeluhr im Wohnzimmer war zu hören.
Meine Eltern waren bei der Arbeit. Sie mussten schließlich zusehen, dass Geld ins Haus kam. Und nicht nur das. Sie wollten wieder den stinknormalen Alltag zurück. Ich ging hier wohl so ziemlich jeden auf den Nerv, inklusive mir. Wo war nur mein stinknormaler Alltag? Ich vermisste ihn.
Es war mir inzwischen zuwider, ständig in meinem Zimmer zu hocken und nicht zu wissen, was ich tun sollte. Nur machte mir nichts mehr Freude. Es gab in diesem Haus nichts für mich zu tun. Es waren fast keine Freunde mehr da. Chris war mein täglicher Lichtblick. Wir taten nicht mehr als nebeneinandersitzen, reden oder fernsehen. Ich konnte das auch alleine. Jedoch fühlte ich mich in seiner Gesellschaft wohler. Er gab mir Kraft und ich versuchte, so jeden Tag etwas stärker zu kämpfen. Für ihn. Für uns.
Den heutigen Tag nahm er sich extra frei, um mehr als nur den Nachmittag mit mir zu verbringen. Womöglich ließ das meine Laune heben.
Doch wie jedes Mal kannte er seine Uhr nicht. Mehr als eine Stunde saß ich
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