Bring mich heim
jemals wieder aufraffen sollte.
Meine Eltern versuchten alles mögliche, um mich wiederum für Dinge zu begeistern, welche ich gerne mochte. Sie kauften mir ein neues Set Künstlerstifte.
Ich liebte es zu zeichnen. Bevorzugterweise mit Kreide oder Monolithstiften. Meine Hände brachten immer meine Emotionen zu Papier, welche ich nicht in Worte ausdrücken konnte. Sie spiegelten mein Leben. Aber ich gab es auf. Ich wollte meine Gefühle nicht sehen. Geschweige denn darüber sprechen. Somit verschloss ich sie in meinem Kopf. Genau wie diese Stifte. Ich legte sie einfach in meine Schreibtischschublade.
Meine Eltern versuchten einiges, um mich aufzuheitern, um mich wieder in den Alltag einzubinden. Mama holte mich jedes Mal in die Küche, wenn sie kochte. Ich liebte den Duft von frisch Gekochtem in meiner Nase. Ich liebte es über die Schulter meiner Mutter zu sehen und Neues zu lernen. Nicht einmal das half. Es war vielmehr eine Qual.
Die Energie, um etwas zu starten, egal was, fehlte mir. Mein Körper war ausgelaugt. Mein Inneres war ausgebrannt. Ich fühlte mich wertlos. Aber es hatte weiterzugehen. Irgendwie ... Und wenn es tatsächlich nur meiner Familie zuliebe war. Nicht mehr für mich.
Der Schmerz ließ mich eingehen. Ich war verzweifelt und betäubte mein Leiden von außen. Zahlreiche Narben, ständig unter langärmliger Kleidung versteckt, zierten meinen Unterarm. Ich wusste mir nicht anders zu helfen.
Es half. Zumindest für einen kurzen Moment. Der Moment, wo die Klinge die Haut berührte und jeglichen anderen Schmerz in meinem Körper übertönte, die Gedanken ausschaltete. Ein minimaler Augenblick. Ein Wimpernschlag.
Es ging mir nun besser ...
Meine Mutter sah mich traurig an. Ich musste jetzt stark sein. Es war der Weg, der mich wieder leben lassen sollte.
»Mama, ich pack das«, lächelte ich sie an. Und das würde ich.
»Ich weiß, ich weiß«, sie seufzte, »ich mache mir einfach nur schreckliche Sorgen. Du bist mein Kind. Eltern machen sich doch ständig Gedanken um ihre Kinder«, versuchte sie mit einem Lachen zu sagen.
Ja, da hatte sie bestimmt recht. Sie rief mir noch immer nach, wenn ich außer Haus ging, dass ich vorsichtig fahren sollte.
»Es war ein hartes Jahr für dich. Ich will schlichtweg nur das Beste für dich und will, dass du dein Leben genießt«, sagte sie leise und strich mir vorsichtig über meine Wange. Die Berührung war okay. Es war nur meine Mutter.
»Komm, lass uns nicht jetzt darüber sprechen. Es sollte ein fröhlicher Tag sein. Endlich habe ich wieder eine Tochter weniger im Haus. Ihr beide treibt mich noch in den Wahnsinn.«
»Mama ...«
Sie zuckte nur mit ihren Schultern und meinte: »Es ist wahr, Mia. Ständig besetzt jemand von euch das Badzimmer. Ich bin auch eine Frau und möchte ab und an dort hinein, besonders morgens, bevor ich zur Arbeit gehe. Andauernd ist jemand von euch da drinnen. Endlich ist nur mehr Anna hier, um mit ihr darüber zu streiten.«
Ich schüttelte nur meinen Kopf. »So schlimm sind wir nun auch wieder nicht.«
»Wenn du wüsstest. Aber egal. Also, lass uns endlich dein Hab und Gut in diesen Rucksack packen.« Sie weitete ihre Augen. »Das willst du alles hier hineinbringen?« Meine Mutter packte mich am linken Unterarm und zog mich zu meinem Chaoshaufen vor uns. Ich zuckte zusammen und schaltete ab.
Kapitel 4 1/2
Mia – Scherben des Lebens
Graz, September 2011
Ich wusste nichts mehr mit mir anzufangen. Tagein tagaus lungerte ich in diesem zu großen Haus herum. Meine Eltern waren wie immer bei der Arbeit und meine Schwester in der Schule. Sie hatte noch ein schönes Leben. Ein glückliches Leben. Mit all ihren Freunden, keine Sorgen, welche sie quälten. Zumindest nichts Gravierendes, nichts Lebensveränderndes.
Meines bestand nur mehr aus Krankenhausaufenthalten, Übelkeit und nicht wissen, was ich mit mir anfangen sollte.
Ich hatte Schmerzen. Keine körperlichen. Zumindest keine mehr. Es war ein Gefühl der Leere in mir. Und Wut.
Diese Wut fraß mich von innen auf. Alles war mir zuwider. Ich verstand nicht, wieso ich. Und das machte mich traurig ... wütend und ließ mich Dinge machen, welche ich nicht wusste, dass ich überhaupt dazu imstande war.
Dieser Tag war wohl der schlimmste. Am Vormittag telefonierte ich mit Chris. Warum ich noch abhob, wenn er mich anrief, wusste ich nicht. Aber höchstwahrscheinlich hing ich nach wie vor noch zu sehr an ihm. Wir waren nicht mehr zusammen. Ich hasste ihn dafür. Nur liebte ich
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