Bring mich heim
dem grauen mächtigen Bürogebäude, in dem ich fünf Tage die Woche ein- und ausging, lag. Ich ließ meine Tasche neben mich plumpsen. Ein Kugelschreiber und meine Puderdose fielen zu Boden. Mist, das auch noch. Das war wohl mal Kompaktpuder, jetzt hatte ich Bröselpuder. Nicht nur ich hatte Bröselpuder, auch der Restaurantboden war davon übersät. Mit dem letzten Taschentuch, welches ich in meiner Tasche fand, versuchte ich mehr schlecht als recht die Sauerei wegzuwischen
»Hi Mia! Was machst du unter dem Tisch?«
Erschrocken sprang ich hoch. Meinen Hinterkopf stieß ich mir heftig am Holztisch. Aua ... das hatte mir noch gefehlt. Als ob mein Kopf nicht schon genug litt.
Mit einer Hand den Kopf reibend sah ich Julia schmerzverzerrt an. »Ich wollte mal eine andere Sicht auf die Welt haben.«
»Und sieht sie von unten besser aus?«, lächelte sie mich an.
»Am heutigen Tag sieht die Welt wohl von allen Seiten, Ecken und Winkeln gleich aus«, jammerte ich sie lautstark an. Der Schlag auf den Kopf verursachte nur noch mehr Schmerzen. Es fühlte sich an, als ob mein Schädel in den nächsten Minuten explodieren würde.
»Du siehst wirklich nicht gut aus.« Julia setzte sich auf den Sessel mir gegenüber und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Ich zuckte nur mit meinen Schultern. Ich wollte niemanden mit meinem Kopfweh auf den Nerv gehen. Es war nur Kopfweh. Unter anderem ... von den Gliederschmerzen und das Stechen in meiner rechten Seite wollte ich erst gar nicht zu erzählen beginnen. Ein paar Tage mehr Schlaf und mir würde es um ein Vielfaches besser gehen. Ich sollte mir ein wenig Urlaub mit Chris gemeinsam gönnen. Nichts tun. Nur herumlungern. Unser letzter Urlaub war zu meiner Sponsion. Das war Ende Juni vor einem knappen Jahr gewesen.
Juli riss mich mit ihrer Stimme aus meinen Gedanken. »Mia, was ist los mit dir?« Sie sah mich von oben bis unten an. Ihre Augen blieben an meinem Oberkörper hängen. »Bist du dünner geworden? Du bist dünner geworden! Dein Oberteil flattert nur noch an dir.«
Eine Kellnerin unterbrach unser Gespräch und nahm die Bestellung auf. Meine Freundin sah mich danach wieder besorgt an und nahm meine Hand in ihre. Sie seufzte laut, ihre Augen spiegelten ihre Angst um mich. »Ich mache mir Sorgen. Du warst ständig krank in den letzten Wochen. So kenne ich dich nicht.«
»Es ist bestimmt nichts. Heute wachte ich bloß mit Kopfschmerzen auf. Wahrscheinlich lässt mich das heute nur müder wirken. Es geht mir gut.« War tatsächlich alles in Ordnung? Oder versuchte ich mir all das nur einzureden, damit ich mich gut fühlte?
Sie weitete nur ihre Augen und schüttelte ihren Kopf. »Rede dir das nur ein. Vielleicht hilft es dir. Aber ehrlich, alles okay bei dir?«
Ich strich mit meinen Fingern durch mein blondes langes Haar und nickte Julia zu. Unter anderem versuchte ich, meine Mundwinkel zu einem Lachen zu überzeugen. Diese spielten nur nicht so mit, wie ich es mir vorstellte. Es sah mit großer Sicherheit gekünstelt aus.
«Es ist nichts, Julia. Ich habe nur so verdammt viel zu tun. Immerhin bin ich noch immer die Neue . Und Chris treibt mich wegen seinem Nicht-Einziehen in den Wahnsinn.« Nervös zupfte ich an einer Haarsträhne. »Ah ... verdammt, ich bin nicht die Neue. Ich arbeite seit eineinhalb Jahren in der Agentur. Sehen das meine Kollegen nicht?« Ich war sauer. Ich hasste es, die Neue zu sein.
»Noch immer die Neue? Gibt es ja nicht. Behaupte dich. Zeig, was du alles kannst«, ermutigte mich Juli.
Ich blies die Luft aus meinem Körper und atmete wieder tief ein. »Ich versuche es. Deshalb arbeite ich so viel. Nur teilen mich noch immer viele zum Kaffeemachen ein. Aber es wird besser werden. Das verspreche ich dir und mir.«
Sie nickte mir zuversichtlich zu und schenkte mir ein kleines Lächeln. »Aber psst, Mia«, flüsterte sie, »ich verrate dir ein kleines Geheimnis. Sag doch einfach Nein«, und grinste mich an.
»Schon gut, ich werde es irgendwann schon lernen.« Ich trat ihr unter dem Tisch mit meinem Fuß gegen das Schienbein.
»Au ... schon gut. Ich sag ja nur«, sagte sie kichernd. »Aber im Ernst. Sieh zu, dass es nicht zu viel wird.«
Ich nickte ihr zu und biss nervös an meiner Unterlippe. »Es wird schon besser. Wie gesagt, es ist viel zu tun.«
Ganz schien sie mit dieser Antwort, oder doch eine Ausrede, nicht zufrieden sein. »Ja, das verstehe ich schon, dass du im Moment so viel zu tun hast. Geht mir nicht anders. Aber du siehst
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